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Gewöhnliche Menschen in Troja genossen Wein, neue Erkenntnisse enthüllen

Depas-Becher, ausgegraben von Heinrich Schliemann, 15 cm hoch, Sammlung für Klassische Archäologie, Universität Tübingen. Image Credit: Valentin Marquardt, Universität Tübingen

Depas-Becher, ausgegraben von Heinrich Schliemann, 15 cm hoch, Sammlung für Klassische Archäologie, Universität Tübingen. Image Credit: Valentin Marquardt, Universität Tübingen

Chemische Analyse beweist erstmals Wein aus Depas-Bechern – nicht nur Oberschicht hatte Zugang zu Genussmittel

Einem Forscherteam ist erstmals der chemische Nachweis gelungen, dass in Troja tatsächlich Wein getrunken wurde. Das hatte bereits der Entdecker der legendären Siedlungs- und Festungsanlage, Heinrich Schliemann, im 19. Jahrhundert vermutet. Außerdem fanden die Forschenden der Univer-sität Tübingen, Bonn und Jena heraus, dass auch einfache Leute in Troja Wein tranken – nicht nur Angehörige der Elite. Das Fachmagazins American Journal of Archaeology hat die Erkenntnisse nun in seiner Aprilausgabe veröffentlicht.

„Jener sprach´s, und erhob sich, und nahm den doppelten Becher“ steht gleich im ersten Kapitel der Ilias geschrieben. Die Rede ist von Hephaistos, dem Gott des Feuers, der Schmiedekunst und der Vulkane, der zu seiner Mutter Hera spricht. „Lächelnd darauf entnahm sie der Hand des Sohnes den Becher. Jener schenkte nunmehr auch der übrigen Götterversammlung Rechts herum, dem Kruge den süßen Nektar entschöpfend.“

Fundstätte eines Depas-Bechers. Image Credit: Valentin Marquardt, Universität Tübingen

Das erwähnte Trinkgefäß, der Depas-Becher (depas amphikypellon), ist Archäologinnen und Archä-ologen gut bekannt: Ein zwölf bis vierzig Zentimeter hohes, schlankes Trinkgefäß aus Ton mit zwei Henkeln und spitz zulaufendendem Ende. Über hundert solcher Becher wurden bis heute allein in Troja für den Zeitraum von 2500 bis 2000 v.Chr. gefunden. Sie sind von der Ägäis über Kleinasien bis nach Mesopotamien verbreitet und können 0,25 bis 1 Liter fassen. „Bereits Heinrich Schliemann vermutete, dass der Depas-Becher bei festlichen Anlässen in geselliger Runde herumgereicht wur-de, so wie in der Ilias beschrieben“, sagte Dr. Stephan Blum vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters an der Universität Tübingen und Co-Autor der Studie.

Aus den Funden Schliemanns befinden sich ein Depas-Becher und zwei Fragmente in der Samm-lung der Klassischen Archäologie der Universität Tübingen. Maxime Rageot von der Universität Bonn fräste eine Probe von zwei Gramm aus den zwei Fragmenten. Anschließend erhitzte er die Proben auf 380 Grad Celsius und untersuchte das entstehende Gemisch per Gaschromatographie (GC) und Massenspektronomie (GC-MS). „Entscheidend war der Nachweis von Bernstein- und Pyruvatsäure: Sie entstehen erst, wenn Traubensaft fermentiert. Somit können wir nun sicher sagen, dass aus den Depas-Bechern tatsächlich Wein getrunken wurde und nicht nur Traubensaft“, sagte Maxime Rageot von der Universität Bonn.

Wein war das kostbarste Getränk in der Bronzezeit und ein Depas-Becher das edelste Gefäß. Depas-Becher wurden in Tempel- und Palastanlagen gefunden. Deshalb schlossen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Weinkonsum zu besonderen Anlässen in elitären Kreisen. Doch tranken vielleicht auch Menschen aus der Unterschicht in Troja Wein als alltägliches Nahrungs- und Ge-nussmittel? „Wir haben auch gewöhnliche Tassen, die in der Außensiedlung Trojas und damit außer-halb der Zitadelle gefunden wurden, chemisch untersucht. Auch diese Gefäße enthielten Wein!“, sagte Stephan Blum von der Universität Tübingen. „Damit ist klar, dass Wein ein Alltagsgetränk auch der einfachen Leute war.“

„Die Troja-Forschung hat an der Universität Tübingen eine lange Tradition, und ich freue mich, dass wir ein weiteres Puzzlestück dem Bild über Troja hinzufügen konnten“, sagte Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, die Rektorin der Universität Tübingen. Die Ausgrabungen in Troja (türkisch: Hisarlık) wurden von 1987 bis 2012 von der Universität Tübingen geleitet. Derzeit werden die Grabungsergebnisse ausgewertet und weiterführende Analysen am Fundmaterial durchgeführt.

Contact for scientific information:
Dr. Stephan Blum
Universität Tübingen
Institut für Ur- und Frühgeschichte und Mittelalterliche Archäologie
Telefon +49 7071 29-75288
stephan.blum@uni-tuebingen.de

Dr. Maxime Rageot
Institut für Archäologie und Kulturanthropologie
Universität Bonn
Tel: +49-228-73-6427
rageot@uni-bonn.de

PD Dr. Tobias Mühlenbruch
Universität Jena
Tel: +49 3641 9-401035
tobias.muehlenbruch@uni-jena.de

Original publication:
Stephan W.E. Blum, Maxime Rageot, Tobias Mühlenbruch
Journal: American Journal of Archaeology
Article Title: The Question of Wine Consumption in Early Bronze Age Troy: Organic Residue Analysis and the Depas amphikypellon
Article Publication Date: April 2025
DOI: https://doi.org/10.1086/734061

Presse
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Source: IDW

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