
Dunkle Vielfalt: Menschliche Aktivitäten und ihre Naturfolgen

Feldstudie in der Uckermark. Image Credit: Lina Weiss
In der natürlichen Vegetation, insbesondere in Regionen, die stark von menschlichen Aktivitäten beeinflusst sind, fehlen oft viele Arten, die in ihrem ursprünglichen Lebensraum dort vorkommen könnten. Diese so genannte „dunkle Vielfalt“ wurde in einer neuen Studie unter der Leitung der University of Tartu (Estland) global analysiert und in „Nature“ veröffentlicht. Wissenschaftler der Universität Potsdam trugen zu der Studie bei, die deutlich macht, wie wichtig es ist, Ökosysteme auch außerhalb von Naturschutzgebieten zu erhalten und zu schützen.
Über 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Forschungskooperation DarkDivNet, unter anderem vom Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam, untersuchten Pflanzen an fast 5500 Standorten in 119 Regionen der Welt. An jedem Standort erfassten die Forschenden alle Pflanzenarten und identifizierten die dunkle Vielfalt – einheimische Arten, die dort leben könnten, aber nicht vorhanden sind. Auf diese Weise konnten sie das gesamte Potenzial der Pflanzenvielfalt an jedem Standort erfassen und ermitteln, wie viel von dieser potenziellen Vielfalt tatsächlich vorhanden war. Auf diese Weise wurden die verborgenen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die natürliche Vegetation sichtbar. „Bisher konzentrierten sich ökologische Studien auf Analysen von Arten, die an einem Standort vorkommen. Die Perspektive zu verschieben und sich zu fragen, welche Arten fehlen und warum, ermöglicht jedoch ein tieferes Verständnis über die Prozesse, die den derzeitigen Biodiversitätsverlust bedingen“, sagt Dr. Kolja Bergholz aus der Arbeitsgruppe Vegetationsökologie und Naturschutz, der Ko-Autor der Studie ist.

In Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte und wenig Landnutzungsänderung enthalten Ökosysteme in der Regel mehr als ein Drittel der potenziell geeigneten Arten. Dagegen beherbergen Ökosysteme in Regionen, die stark von menschlichen Aktivitäten beeinflusst werden, nur eine von fünf möglichen Arten. Herkömmliche Messungen der biologischen Vielfalt konnten diese Auswirkungen nicht erfassen, da natürliche Schwankungen der biologischen Vielfalt in den verschiedenen Ökosystemen das wahre Ausmaß des menschlichen Einflusses verschleiern. Kolja Bergholz berichtet: „Für die Studie haben wir Daten in zwei sehr verschiedenen Untersuchungsregionen gesammelt: in der Uckermark in Brandenburg sowie auf der Insel Rhodos in Griechenland. Für uns war der Vergleich sehr spannend, da sich Muster zeigten, die wir so nicht erwartet hätten.“ Dass die mediterrane Flora weitaus artenreicher ist als eine intensiv genutzte Landschaft in Mitteleuropa, war den Forschenden vorab klar. Jedoch zeigte sich außerdem, dass die Arten auf Rhodos sehr homogen in der Landschaft verteilt sind und somit die dunkle Vielfalt geringer ist als in Brandenburg.
Der Hauptautor Prof. Meelis Pärtel fasst zusammen: „Menschliche Störungen haben einen viel größeren Einfluss als bisher angenommen und erreichen sogar Naturschutzgebiete. Wir fanden auch heraus, dass der negative Einfluss menschlicher Aktivitäten weniger ausgeprägt war, wenn mindestens ein Drittel der umliegenden Region unberührt blieb, was das globale Ziel unterstützt, 30 Prozent der Landfläche der Erde zu schützen“.
Die DarkDivNet-Kooperation begann 2018, basierend auf einer Idee von Prof. Pärtel und einigen Kollegen. Er erinnert sich: „Wir hatten die Theorie der dunklen Vielfalt eingeführt und Methoden zu ihrer Untersuchung entwickelt, aber um globale Vergleiche anstellen zu können, benötigten wir einheitliche Stichproben in vielen Regionen. Das schien unmöglich, aber viele Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Kontinenten schlossen sich uns an.“ Das Konzept der dunklen Vielfalt ist ein praktisches Instrument für Naturschützer, um fehlende geeignete Arten zu identifizieren und die Fortschritte bei der Wiederherstellung von Ökosystemen zu verfolgen.
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Original publication:
Meelis Pärtel, Riin Tamme, Carlos P. Carmona, Kersti Riibak, Mari Moora, Jonathan A. Bennett, Alessandro Chiarucci, Milan Chytrý, Francesco de Bello, Ove Eriksson, Susan Harrison, Robert John Lewis, Angela T. Moles, Maarja Öpik, Jodi N. Price, Vistorina Amputu, Diana Askarizadeh, Zohreh Atashgahi, Isabelle Aubin, Francisco M. Azcárate, Matthew D. Barrett, Maral Bashirzadeh, Zoltán Bátori, Natalie Beenaerts, Kolja Bergholz, Kristine Birkeli, Idoia Biurrun, José M. Blanco-Moreno, Kathryn J. Bloodworth, Laura Boisvert-Marsh, Bazartseren Boldgiv, Pedro H. S. Brancalion, Francis Q. Brearley, Charlotte Brown, C. Guillermo Bueno, Gabriella Buffa, James F. Cahill, Juan A. Campos, Giacomo Cangelmi, Michele Carbognani, Christopher Carcaillet, Bruno E. L. Cerabolini, Richard Chevalier, Jan S. Clavel, José M. Costa, Sara A. O. Cousins, Jan Čuda, Mariana Dairel, Michele Dalle Fratte, Alena Danilova, John Davison, Balázs Deák, Silvia Del Vecchio, Iwona Dembicz, Jürgen Dengler, Jiri Dolezal, Xavier Domene, Miroslav Dvorsky, Hamid Ejtehadi, Lucas Enrico, Dmitrii Epikhin, Anu Eskelinen, Franz Essl, Gaohua Fan, Edy Fantinato, Fatih Fazlioglu, Eduardo Fernández-Pascual, Arianna Ferrara, Alessandra Fidelis, Markus Fischer, Maren Flagmeier, T’ai G. W. Forte, Lauchlan H. Fraser, Junichi Fujinuma, Fernando F. Furquim, Berle Garris, Heath W. Garris, Melisa A. Giorgis, Gianpietro Giusso del Galdo, Ana González-Robles, Megan K. Good, Moisès Guardiola, Riccardo Guarino, Irene Guerrero, Joannès Guillemot, Behlül Güler, Yinjie Guo, Stef Haesen, Martin Hejda, Ruben H. Heleno, Toke T. Høye, Richard Hrivnák, Yingxin Huang, John T. Hunter, Dmytro Iakushenko, Ricardo Ibáñez, Nele Ingerpuu, Severin D. H. Irl, Eva Janíková, Florian Jansen, Florian Jeltsch, Anke Jentsch, Borja Jiménez-Alfaro, Madli Jõks, Mohammad H. Jouri, Sahar Karami, Negin Katal, András Kelemen, Bulat I. Khairullin, Anzar A. Khuroo, Kimberly J. Komatsu, Marie Konečná, Ene Kook, Lotte Korell, Natalia Koroleva, Kirill A. Korznikov, Maria V. Kozhevnikova, Łukasz Kozub, Lauri Laanisto, Helena Lager, Vojtech Lanta, Romina G. Lasagno, Jonas J. Lembrechts, Liping Li, Aleš Lisner, Houjia Liu, Kun Liu, Xuhe Liu, Manuel Esteban Lucas-Borja, Kristin Ludewig, Katalin Lukács, Jona Luther-Mosebach, Petr Macek, Michela Marignani, Richard Michalet, Tamás Miglécz, Jesper Erenskjold Moeslund, Karlien Moeys, Daniel Montesinos, Eduardo Moreno-Jiménez, Ivan Moysiyenko, Ladislav Mucina, Miriam Muñoz-Rojas, Raytha A. Murillo, Sylvia M. Nambahu, Lena Neuenkamp, Signe Normand, Arkadiusz Nowak, Paloma Nuche, Tatjana Oja, Vladimir G. Onipchenko, Kalina L. Pachedjieva, Bruno Paganeli, Begoña Peco, Ana M. L. Peralta, Aaron Pérez-Haase, Pablo L. Peri, Alessandro Petraglia, Gwendolyn Peyre, Pedro Antonio Plaza-Álvarez, Jan Plue, Honor C. Prentice, Vadim E. Prokhorov, Dajana Radujković, Soroor Rahmanian, Triin Reitalu, Michael Ristow, Agnès A. Robin, Ana Belén Robles, Daniel A. Rodríguez Ginart, Raúl Román, Ruben E. Roos, Leonardo Rosati, Jiří Sádlo, Karina Salimbayeva, Rut Sánchez de Dios, Khaliun Sanchir, Cornelia Sattler, John D. Scasta, Ute Schmiedel, Julian Schrader, Nick L. Schultz, Giacomo Sellan, Josep M. Serra-Diaz, Giulia Silan, Hana Skálová, Nadiia Skobel, Judit Sonkoly, Kateřina Štajerová, Ivana Svitková, Sebastian Świerszcz, Andrew J. Tanentzap, Fallon M. Tanentzap, Rubén Tarifa, Pablo Tejero, Dzhamal K. Tekeev, Michael Tholin, Ruben S. Thormodsæter, Yichen Tian, Alla Tokaryuk, Csaba Tölgyesi, Marcello Tomaselli, Enrico Tordoni, Péter Török, Béla Tóthmérész, Aurèle Toussaint, Blaise Touzard, Diego P. F. Trindade, James L. Tsakalos, Sevda Türkiş, Enrique Valencia, Mercedes Valerio, Orsolya Valkó, Koenraad Van Meerbeek, Vigdis Vandvik, Jesus Villellas, Risto Virtanen, Michaela Vítková, Martin Vojík, Andreas von Hessberg, Jonathan von Oppen, Viktoria Wagner, Ji-Zhong Wan, Chun-Jing Wang, Sajad A. Wani, Lina Weiss, Tricia Wevill, Sa Xiao, Oscar Zárate Martínez & Martin Zobel
Journal: Nature
Article Title: Global impoverishment of natural vegetation revealed by dark diversity
Article Publication Date: 02 April 2025
DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-08814-5
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Source: IDW