Agrar- Forstwissenschaften

Menschlicher Einfluss und dunkle Vielfalt: Das globale Pflanzenrätsel

DarkDivNet-Standort in Norwegen – eine von weltweit 5.500 Untersuchungsflächen des Forschungsnetzwerks. Bildnachweis: DarkDivNet

DarkDivNet-Standort in Norwegen – eine von weltweit 5.500 Untersuchungsflächen des Forschungsnetzwerks.
Bildnachweis: DarkDivNet

Oft fehlen in der natürlichen Vegetation Pflanzenarten, die aufgrund der ökologischen Gegebenheiten auf diesen Flächen eigentlich vorkommen müssten. Besonders hoch ist die sogenannte Dark Diversity in jenen Regionen, die stark vom Menschen beeinflusst sind. Dies geht aus einer internationalen Studie hervor, die von der estnischen Universität Tartu geleitet und unter Beteiligung einer Wissenschaftlerin des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig (iDiv) in Nature veröffentlicht wurde.

Mehr als 200 Wissenschaftler:innen des Forschungsnetzwerks DarkDivNet untersuchten im Rahmen der Studie die Pflanzenvielfalt an fast 5.500 Standorten in 119 Regionen der Welt. An jedem Standort erfassten sie, darunter auch die am UFZ und iDiv forschende Pflanzenökologin Dr. Lotte Korell, die dort vorkommenden Pflanzenarten. Sie ermittelten die Dark Diversity – ein Maß für das Vorkommen von einheimischen Pflanzenarten, die dort theoretisch leben könnten, aber zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht gefunden wurden. Dafür berechneten die Wissenschaftler:innen für jeden Standort das gesamte Potenzial der Pflanzenvielfalt und maßen, wie viel von dieser potenziellen Vielfalt tatsächlich vorhanden war. Dabei zeigte sich, wie sich menschliche Aktivitäten auf die natürliche Vegetation auswirken. Das Ausmaß dieser Störungen ermittelten sie mit dem Human Footprint Index. Der ökologische Fußabdruck umfasst Faktoren wie die Bevölkerungsdichte, Landnutzungsänderungen wie etwa Stadtentwicklung und Intensivierung der Landwirtschaft sowie den Bau von Infrastrukturen wie Straßen und Bahnstrecken. Herkömmliche Bestimmungsweisen der Pflanzenvielfalt wie die Zählung von Arten können diese Auswirkungen nicht aufdecken, da die natürlichen Schwankungen der Biodiversität in den verschiedenen Regionen und Ökosystemen das wahre Ausmaß des menschlichen Einflusses häufig verschleiern.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Ökosysteme in Regionen mit geringen menschlichen Einflüssen in der Regel mehr als ein Drittel der potenziell geeigneten Pflanzenarten beherbergen. In Regionen, die stark vom Menschen beeinflusst sind, konnten sie dagegen nur ein Fünftel der möglichen Pflanzenarten nachweisen. Je höher also der Human Footprint an einem Standort ist, umso geringer ist die tatsächliche Pflanzenvielfalt. „Das Ergebnis ist alarmierend, denn es zeigt, dass die Auswirkungen menschlicher Eingriffe viel weiter reichen als bisher angenommen und auch Naturschutzgebiete betreffen. Umweltverschmutzung, Holzeinschlag, Vermüllung, das Zertrampeln von Flächen und vom Menschen verursachte Brände können Pflanzen aus ihren Lebensräumen verdrängen und ihre Wiederbesiedlung verhindern“, bilanziert Prof. Meelis Pärtel, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler an der Universität von Tartu. Das DarkDivNet-Netzwerk wurde im Jahr 2018 ins Leben gerufen und wird von der Universität Tartu koordiniert – mit dem Ziel, über eine methodisch einheitliche Beprobung der Flächen in 37 Ländern der Welt einen globalen Vergleich zur Theorie der Dark Diversity ziehen zu können. Des Weiteren stellten die Forschenden in der Studie fest, dass der negative Einfluss menschlicher Aktivitäten weniger ausgeprägt war, wenn mindestens ein Drittel der den Untersuchungsstandort umgebenden Region unberührt war. Dies unterstütze das auf der UN-Biodiversitätskonferenz beschlossene Ziel, weltweit mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresfläche unter Schutz zu stellen.

Lotte Korell hat für die Studie zusammen mit Dr. Kristin Ludewig von der Universität Hamburg insgesamt 31 Flächen in der Lüneburger Heide – hauptsächlich Birken-Eichen-Mischwald – untersucht und dort alle vorkommenden Pflanzenarten erfasst. Dieser Waldtyp gilt dort als naturnahe Vegetation, da die Bodenverhältnisse sehr sandig und nährstoffarm sind. Vereinzelt wurden auch Grasländer und Heideflächen beprobt. „Verglichen mit anderen Regionen waren sowohl der Human Footprint Index mit knapp 15 als auch die Dark Diversity mit rund 40 Pflanzenarten auf unserer Untersuchungsfläche relativ hoch“, sagt Lotte Korell. Obwohl die Lüneburger Heide eine große Fläche naturnaher Gebiete enthält, spiegeln diese Werten wider, wie stark Landschaft und Biodiversität vom Menschen beeinflusst sind.

Kontakt Wissenschaft
Dr. Lotte Korell
Department Species Interaction Ecology an UFZ und iDiv
lotte.korell@ufz.de

Anschrift
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ
Permoserstraße 15
04318 Leipzig
www.ufz.de

Publikation
Meelis Pärtel, Riin Tamme, Carlos P. Carmona, Kersti Riibak, Mari Moora, Jonathan A. Bennett, Alessandro Chiarucci, Milan Chytrý, Francesco de Bello, Ove Eriksson, Susan Harrison, Robert John Lewis, Angela T. Moles, Maarja Öpik, Jodi N. Price, Vistorina Amputu, Diana Askarizadeh, Zohreh Atashgahi, Isabelle Aubin, Francisco M. Azcárate, Matthew D. Barrett, Maral Bashirzadeh, Zoltán Bátori, Natalie Beenaerts, Kolja Bergholz, Kristine Birkeli, Idoia Biurrun, José M. Blanco-Moreno, Kathryn J. Bloodworth, Laura Boisvert-Marsh, Bazartseren Boldgiv, Pedro H. S. Brancalion, Francis Q. Brearley, Charlotte Brown, C. Guillermo Bueno, Gabriella Buffa, James F. Cahill, Juan A. Campos, Giacomo Cangelmi, Michele Carbognani, Christopher Carcaillet, Bruno E. L. Cerabolini, Richard Chevalier, Jan S. Clavel, José M. Costa, Sara A. O. Cousins, Jan Čuda, Mariana Dairel, Michele Dalle Fratte, Alena Danilova, John Davison, Balázs Deák, Silvia Del Vecchio, Iwona Dembicz, Jürgen Dengler, Jiri Dolezal, Xavier Domene, Miroslav Dvorsky, Hamid Ejtehadi, Lucas Enrico, Dmitrii Epikhin, Anu Eskelinen, Franz Essl, Gaohua Fan, Edy Fantinato, Fatih Fazlioglu, Eduardo Fernández-Pascual, Arianna Ferrara, Alessandra Fidelis, Markus Fischer, Maren Flagmeier, T’ai G. W. Forte, Lauchlan H. Fraser, Junichi Fujinuma, Fernando F. Furquim, Berle Garris, Heath W. Garris, Melisa A. Giorgis, Gianpietro Giusso del Galdo, Ana González-Robles, Megan K. Good, Moisés Guardiola, Riccardo Guarino, Irene Guerrero, Joannès Guillemot, Behlül Güler, Yinjie Guo, Stef Haesen, Martin Hejda, Ruben H. Heleno, Toke T. Høye, Richard Hrivnák, Yingxin Huang, John T. Hunter, Dmytro Iakushenko, Ricardo Ibáñez, Nele Ingerpuu, Severin D. H. Irl, Eva Janíková, Florian Jansen, Florian Jeltsch, Anke Jentsch, Borja Jiménez-Alfaro, Madli Jõks, Mohammad H. Jouri, Sahar Karami, Negin Katal, András Kelemen, Bulat I. Khairullin, Anzar A. Khuroo, Kimberly J. Komatsu, Marie Konečná, Ene Kook, Lotte Korell, Natalia Koroleva, Kirill A. Korznikov, Maria V. Kozhevnikova, Łukasz Kozub, Lauri Laanisto, Helena Lager, Vojtech Lanta, Romina G. Lasagno, Jonas J. Lembrechts, Liping Li, Aleš Lisner, Houjia Liu, Kun Liu, Xuhe Liu, Manuel Esteban Lucas-Borja, Kristin Ludewig, Katalin Lukács, Jona Luther-Mosebach, Petr Macek, Michela Marignani, Richard Michalet, Tamás Miglécz, Jesper Erenskjold Moeslund, Karlien Moeys, Daniel Montesinos, Eduardo Moreno-Jiménez, Ivan Moysiyenko, Ladislav Mucina, Miriam Muñoz-Rojas, Raytha A. Murillo, Sylvia M. Nambahu, Lena Neuenkamp, Signe Normand, Arkadiusz Nowak, Paloma Nuche, Tatjana Oja, Vladimir G. Onipchenko, Kalina L. Pachedjieva, Bruno Paganeli, Begoña Peco, Ana M. L. Peralta, Aaron Pérez-Haase, Pablo L. Peri, Alessandro Petraglia, Gwendolyn Peyre, Pedro Antonio Plaza-Álvarez, Jan Plue, Honor C. Prentice, Vadim E. Prokhorov, Dajana Radujković, Soroor Rahmanian, Triin Reitalu, Michael Ristow, Agnès A. Robin, Ana Belén Robles, Daniel A. Rodríguez Ginart, Raúl Román, Ruben E. Roos, Leonardo Rosati, Jiří Sádlo, Karina Salimbayeva, Rut Sánchez de Dios, Khaliun Sanchir, Cornelia Sattler, John D. Scasta, Ute Schmiedel, Julian Schrader, Nick L. Schultz, Giacomo Sellan, Josep M. Serra-Diaz, Giulia Silan, Hana Skálová, Nadiia Skobel, Judit Sonkoly, Kateřina Štajerová, Ivana Svitková, Sebastian Świerszcz, Andrew J. Tanentzap, Fallon M. Tanentzap, Rubén Tarifa, Pablo Tejero, Dzhamal K. Tekeev, Michael Tholin, Ruben S. Thormodsæter, Yichen Tian, Alla Tokaryuk, Csaba Tölgyesi, Marcello Tomaselli, Enrico Tordoni, Péter Török, Béla Tóthmérész, Aurèle Toussaint, Blaise Touzard, Diego P. F. Trindade, James L. Tsakalos, Sevda Türkiş, Enrique Valencia, Mercedes Valerio, Orsolya Valkó, Koenraad Van Meerbeek, Vigdis Vandvik, Jesus Villellas, Risto Virtanen, Michaela Vítková, Martin Vojík, Andreas von Hessberg, Jonathan von Oppen, Viktoria Wagner, Ji-Zhong Wan, Chun-Jing Wang, Sajad A. Wani, Lina Weiss, Tricia Wevill, Sa Xiao, Oscar Zárate Martínez & Martin Zobel
Journal: Nature 
Article Title: Global impoverishment of natural vegetation revealed by dark diversity
Article Publication Date: 02 April 2025
DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-025-08814-5

Kontakt Pressestelle
Susanne Hufe
UFZ Pressestelle
Tel. +49 341 – 6025 1630
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