Medizin Gesundheit

Neuer Ansatz Zur Vorbeugung Von Zwölffingerdarmkrebs Entdeckt

Dr. Kim Melanie Kaiser (li. u.), Dr. Benjamin Krämer (li. o.), Dr. Robert Hüneburg (r. u.) und Prof. Jacob Nattermann (r. o.) bringen Immunzellen mit höherem Duodenalkarzinom-Risiko bei erblicher FAP in Verbindung. Dr. Kim M. Kaiser Universitätsklinikum Bonn

Dr. Kim Melanie Kaiser (li. u.), Dr. Benjamin Krämer (li. o.), Dr. Robert Hüneburg (r. u.) und Prof. Jacob Nattermann (r. o.) bringen Immunzellen mit höherem Duodenalkarzinom-Risiko bei erblicher FAP in Verbindung.
Dr. Kim M. Kaiser
Universitätsklinikum Bonn

Menschen mit der Erbkrankheit Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP) haben ein stark erhöhtes Risiko an einem bösartigen Tumor des Zwölffingerdarms zu erkranken. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und des Exzellenzclusters ImmunoSensation2 der Universität Bonn entdeckten nun einen Mechanismus im lokalen Immunsystem, der die Entstehung von Krebs vorantreiben kann. Sie sehen darin einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Vorbeugung eines Duodenalkarzinoms bei Menschen mit FAP. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.

Die Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP) ist eine Erbkrankheit, die neben einem hohen Risiko für Darmkrebs, auch ein stark erhöhtes Risiko Zwölffingerdarmkrebs, fachsprachlich Duodenalkarzinom, mit sich bringt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es lediglich die engmaschige endoskopische Kontrolle mit Entfernung der Vorstufen, die so genannten Polypen, was allerdings auch mit einem erhöhten Risiko verbunden ist. „Doch spezifische vorbeugende Therapien existieren nicht“, sagt Co-Letztautor Dr. Benjamin Krämer, wissenschaftlicher Leiter des Labors für angeborene zelluläre Immunologie am UKB. „Da der Schweregrad der Erkrankung selbst bei Trägern der gleichen Genmutation stark variiert, wird nach weiteren Faktoren, die die Krankheitsentwicklung beeinflussen, gesucht – und das lokale Immunsystem rückt dabei in den Fokus.“

Botenstoff verursacht Schädigung des Erbguts

Die Bonner Forschenden haben nun entdeckt, dass bestimmte Zellen des angeborenen Immunsystems, die sogenannten Typ-3 angeborenen lymphoiden Zellen (ILC3), in deutlich erhöhter Anzahl im Duodenum von FAP-Betroffenen vorkommen. „Diese Zellen fanden wir vermehrt in der Schleimhaut, insbesondere in der Nähe von Polypen und Krebsbereichen“, sagt Co-Letztautor Dr. Robert Hüneburg, Oberarzt der Medizinischen Klinik I und am Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am UKB.

Prozess im lokalen Immunsystem, der die Entstehung von Krebs bei erblichen FAP-Syndrom vorantreiben kann. Abbildung wurde mit ChatGPT4o generiert.
Dr. Benjamin Krämer / Universitätsklinikum Bonn

Die Bonner Forschungsergebnisse liefern Hinweise darauf, wie diese Immunzellen zur Krebsentstehung beitragen könnten: Sie produzieren einen Botenstoff namens Interleukin-17A (IL-17A). „Dieser Botenstoff scheint Darmzellen dazu anzuregen, vermehrt schädliche Moleküle zu produzieren, die als reaktive Sauerstoffspezies, kurz ROS, bekannt sind. Hohe Konzentrationen dieser ROS können das Erbgut in den Zellen schädigen“, sagt Erstautorin Dr. Kim Melanie Kaiser, die bis vor kurzem als Doktorandin im Exzellenzcluster ImmunoSensation² der Universität Bonn forschte. Solche Schäden der DNA, dem Träger der Erbinformationen, sind ein bekannter Faktor, der die Entstehung von Krebs vorantreiben kann.

„Unsere Erkenntnisse legen nahe, dass die erhöhte Anzahl von Interleukin-17A-produzierenden ILC3 im Duodenum ein lokales Umfeld schafft, das die Krebsentstehung bei FAP-Betroffenen begünstigt“, sagt Co-Letztautor Prof. Dr. Jacob Nattermann vom Labor für angeborene zelluläre Immunität, stellvertretender Direktor der Medizinischen Klinik I und Oberarzt am Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen am UKB. Er ist zudem Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation² und in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn. „Daher könnte die gezielte Beeinflussung dieser Immunzellen oder insbesondere die Blockade des Botenstoffs IL-17A direkt im Duodenum einen vielversprechenden neuen Ansatz zur Vorbeugung von Duodenalkarzinoms bei Menschen mit FAP darstellen und eine dringend benötigte Therapieoption neben der reinen endoskopischen Überwachung bieten.“

Beteiligte Institutionen und Förderung:
Diese Ergebnisse beruhen auf einer Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland. Die Studie wurde unter Federführung von Forschenden der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Bonn (UKB) durchgeführt, wobei auch das Exzellenzcluster ImmunoSensation² der Universität Bonn eine maßgebliche Rolle spielte. Ebenfalls beteiligt waren das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn, das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), welches an das Universitätsklinikum Charité in Berlin angegliedert ist und im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms SPP 1937 „Innate Lymphoid Cells“ kooperierte, sowie die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, die im Kontext des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) mitwirkte.

Contact for scientific information:
Prof. Dr. Jacob Nattermann
Laboratory for Innate Cellular Immunity
Center for Hereditary Tumor Diseases of the Gastrointestinal Tract
Medical Clinic and Polyclinic I
University Hospital Bonn (UKB)
ImmunoSensation² & TRA “Life & Health”, University of Bonn
Email: jacob.nattermann@ukbonn.de

Dr. Benjamin Krämer
Scientific Director
Laboratory for Innate Cellular Immunity
Medical Clinic and Polyclinic I
University Hospital Bonn (UKB)
Email: benjamin.kraemer@ukbonn.de

Original publication:
Kim M. Kaiser, Jan Raabe, Michael ToVinh, Gudrun Hack, Sarah Ahmad, Niko Müller, Julia Cassella, Sofia I. Walravens, Paula Alfaro, Lauren Arias Garcia, Dominik J. Kaczmarek, Tim Marwitz, Felix Goeser, Hans Dieter Nischalke, Philipp Lutz, Nils Sommer, Tim Vilz, Marieta Toma, Susanne Steiner, Oliver Hommerding, Johannes Oldenburg, Michael Hölzel, Sebastian Kadzik, Alexander Maas, Jonas Eckrich, Philipp Zumfelde, Farhad Shakeri, Svetozar Nesic, Andreas Buness, Emilia De Caro, Matthias Becker, Marc D. Beyer, Thomas Ulas, Anna C. Aschenbrenner, Lisa M. Steinheuer, Kevin Thurley, Sandy Kroh, Ralf Uecker, Anja E. Hauser, Florian N. Gohr, Florian I. Schmidt, Danni Wang, Kathrin Held, Olga Baranov, Christof Geldmacher, Christian P. Strassburg, Robert Hüneburg, Benjamin Krämer & Jacob Nattermann
Journal: Nature Communications
Article Title: IL-17A-producing NKp44(−) group 3 innate lymphoid cells accumulate in Familial Adenomatous Polyposis duodenal tissue
Article Publication Date: 25 April 2025
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-58907-y

Media
Dr. Inka Väth
Telephone: 0228 287-10596
Email address: inka.vaeth@ukbonn.de

Source: IDW

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