Zellmembranen super aufgelöst

Sphingolipid expansion microscopy (ExM) of tenfold expanded cells infected with chlamydia.
Image: Sauer group / University of Würzburg

Mit der Expansionsmikroskopie lassen sich erstmals auch feinste Details von Zellmembranen abbilden. Das bietet neue Einblicke in bakterielle und virale Infektionsprozesse.

Mit der Expansionsmikroskopie (ExM) lassen sich Zellen und ihre Bausteine mit einer räumlichen Auflösung weit unterhalb von 200 Nanometern abbilden. Dazu werden die Proteine der zu untersuchenden Probe in ein schwellbares Polymer vernetzt. Nach der Zerstörung der Wechselwirkungen zwischen den Molekülen können die Proben mit Wasser um ein Vielfaches ausgedehnt werden. Das macht detaillierte Einblicke in ihre Strukturen möglich.

„Diese Methode war bisher auf Proteine beschränkt. Im Journal Nature Communications stellen wir jetzt eine Möglichkeit vor, wie wir auch Lipide und damit Zellmembranen expandieren können“, sagt Professor Markus Sauer, Experte für hochauflösende Mikroskopie vom Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Beteiligt an der Publikation sind auch die JMU-Professoren Thomas Rudel (Mikrobiologie) und Jürgen Seibel (Chemie).

Synthetische Lipide werden markiert und expandiert

Das Team von Jürgen Seibel hat funktionalisierte Sphingolipide synthetisiert, die ein wichtiger Bestandteil von Zellmembranen sind. Gibt man diese Lipide zu Zellkulturen, werden sie in die Zellmembranen eingebaut. Im Anschluss lassen sie sich mit einem Farbstoff markieren und in einem schwellbaren Polymer vier- bis zehnfach expandieren.

Die JMU-Forscher zeigen, dass sich auf diese Weise – in Kombination mit der Strukturierten Beleuchtungsmikroskopie (SIM) – erstmals verschiedene Membranen und ihre Wechselwirkungen mit den Zellproteinen mit einer Auflösung von 10 bis 20 Nanometern abbilden lassen: Zellmembranen, die äußere und die innere Zellkernmembran und auch die Membranen intrazellulärer Organellen wie Mitochondrien.

Membranen von Bakterien und Viren im Blick

Die Sphingolipide bauen sich außerdem hocheffizient in die Membranen von Bakterien ein. Damit können nun erstmals Krankheitserreger wie Neisseria gonorrhoeae, Chlamydia trachomatis und Simkania negevensis in infizierten Zellen in einer Auflösung dargestellt werden, die bisher nur mit der Elektronenmikroskopie erreicht wurde. Sogar die innere und die äußere Membran von gramnegativen Bakterien lassen sich voneinander unterscheiden.

„Mit den neuen superauflösenden mikroskopischen Verfahren wollen wir jetzt bakterielle Infektionsmechanismen und Ursachen für Antibiotikaresistenzen untersuchen. Was wir dabei lernen, lässt sich womöglich für verbesserte Therapien nutzen“, sagt Professor Thomas Rudel, Experte für bakterielle Infektionen.

Womöglich integrieren sich die Sphingolipide auch in die Membran von Viren. Falls das gelingt, könnte man die Wechselwirkungen von Coronaviren mit Zellen erstmals lichtmikroskopisch in hoher Auflösung untersuchen.

Die beschriebenen Arbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen der Graduiertenkollegs 2157 und 2581 finanziell gefördert.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Rudel, Lehrstuhl für Mikrobiologie, Universität Würzburg, T -49 931 31-84401, thomas.rudel@biozentrum.uni-wuerzburg.de

Prof. Dr. Markus Sauer, Lehrstuhl für Biotechnologie und Biophysik, Universität Würzburg, T +49 931 31-88687, m.sauer@uni-wuerzburg.de

Originalpublikation:

Nanoscale imaging of bacterial infections by sphingolipid expansion microscopy. Nature Communications, 2. Dezember 2020, DOI: 10.1038/s41467-020-19897-1

Weitere Informationen:

https://www.nature.com/articles/s41467-020-19897-1 Artikel auf Nature Communications

http://www.uni-wuerzburg.de

Media Contact

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Das Mikrobiom verändert sich dynamisch und begünstigt wichtige Funktionen für den Wirt

Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Kieler SFB 1182 untersucht am Beispiel von Fadenwürmern, welche Prozesse die Zusammensetzung des Mikrobioms in Wirtslebewesen steuern. Alle vielzelligen Lebewesen – von den einfachsten tierischen und…

Wasser im Boden – genaue Daten für Landwirtschaft und Klimaforschung

Die PTB präsentiert auf der Woche der Umwelt, wie sich die Bodenfeuchte mithilfe von Neutronenstrahlung messen lässt. Die Bodenfeuchte hat nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern ist als Teil…

Bioreaktor- und Kryotechnologien für bessere Wirkstofftests mit humanen Zellkulturen

Medizinische Wirkstoffforschung… Viele Neuentwicklungen von medizinischen Wirkstoffen scheitern, weil trotz erfolgreicher Labortests mit Zellkulturen starke Nebenwirkungen bei Probanden auftreten. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel die verwendeten Zellen aus tierischem…

Partner & Förderer