Nano-Membran nach Maß: neuartige Filtertechnologie mit Graphen

HR TEM-Aufnahme einer einzelnen Lage Graphen. Die Kohlenstoffatome sind hier als dunkle Punkte zu erkennen. In der Abbildung links unten erscheinen sie lila. Aufnahme: Kaiser/Kurasch Uni Ulm

Das EU Graphen Flaggschiff-Programm, das zu den bislang größten europäischen Forschungsinitiativen gehört, fördert wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen in Europa, die auf diesem Gebiet forschen. Mit an Bord sind nach einem hochkompetiven Auswahlverfahren jetzt auch die Universitäten Bielefeld und Ulm sowie die BASF und der Nanomembranhersteller CNM Technologies. Ihr Gemeinschaftsprojekt zielt auf die Entwicklung neuester Filtertechnologien auf der Grundlage von Graphen.

Es besteht aus reinem Kohlenstoff und ist ein wahrer Wunderwerkstoff: das Graphen. Es ist nur eine Atomlage dick, härter als Diamant und zugfester als Stahl. Dabei ist es hauchdünn, extrem leicht, sehr flexibel und transparent. Seine extrem hohe Wärme- und Stromleitfähigkeit lässt nicht nur die Halbleiter- und Computerindustrie aufhorchen.

Auch die Europäische Union hat die Bedeutung dieses revolutionären Materials erkannt und fördert Forschungseinrichtungen und Unternehmen auf diesem Gebiet im Rahmen der sogenannten EU Graphen Flaggschiff-Initiative. Mit an Bord sind jetzt auch die Universitäten Bielefeld und Ulm, sowie die BASF und CNM-Technologies.

„Graphen gilt als eines der vielversprechenden neuen Materialien überhaupt. Nicht ohne Grund herrscht in der Graphen-Forschung so etwas wie Goldgräberstimmung“, so Professorin Ute Kaiser. Die Physikerin leitet die Materialwissenschaftliche Elektronenmikroskopie an der Universität Ulm und forscht bereits seit 2007 an der elektronenmikroskopischen Charakterisierung von Graphen.

Mit der Universität Bielefeld, dem Chemie-Konzern BASF und dem Nanomembranhersteller CNM Technologies wurde nun ein gemeinsames Projekt entwickelt, das im Rahmen der „Leitinitiative zu neuen und künftigen Technologien“ der Europäischen Kommission gefördert wird. Das Eine-Milliarde-schwere, auf zehn Jahre ausgelegte EU Graphene Flagship gehört zu den bislang größten europäischen Forschungsinitiativen und soll die europäische Vorreiterrolle in der Graphen-Forschung sichern.

Das Ziel: „Dieses `Wundermaterial´ so schnell wie möglich aus den wissenschaftlichen Labors zu holen und für den täglichen Gebrauch einzusetzen“, informiert die Europäische Kommission in einer Pressemitteilung.

Aufgrund seiner besonderen chemischen und physikalischen Eigenschaften ergeben sich vielfältigste hochinnovative Anwendungsmöglichkeiten. Ob in der Informationstechnologie, der Medizintechnik, im Fahrzeugbau oder der Batterieforschung – die Erwartungen sind enorm.

Insgesamt sind mehr als 140 Organisationen aus 23 Ländern an diesem europäischen Konsortium beteiligt, darunter überwiegend Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Wirtschafsunternehmen. 66 neue Partner sind nun im Rahmen der neuen Ausschreibungsrunde hinzugekommen.

Hierfür waren weit über 200 Vorschläge eingereicht worden, an denen insgesamt 738 Organisationen aus 37 Ländern beteiligt waren. „In unserem Projekt entwickeln wir eine einzigartige Methode zur industriellen Herstellung von Graphen-Nano-Membranen. Wir kümmern uns auf dem Graphen-Flaggschiff um eine ganz spezielle Anwendung: die sogenannten Nano-Filtration“, informiert Projektkoordinator Dr. Andrey Turchanin von der Universität Bielefeld.

Das Gemeinschaftsprojekt der beiden Unis und Unternehmen fokussiert dabei auf die besonderen Membran-Eigenschaften dieser denkbar dünnsten Kohlenstofflage. Graphen ist ein hervorragender Filter zur Entsalzung von Wasser, aber auch für andere Flüssigkeiten oder Gase und sogar für Biomoleküle. „Die Kunst besteht darin, durch die Gestaltung der Porengrößen, der Materialstruktur und -oberfläche die Membraneigenschaften auf unterschiedlichste Anwendungen passgenau zuzuschneiden“, erklärt Tuchanin den Forschungsauftrag der Bielefelder.

„Als Unternehmen, das spezialisiert ist auf die Entwicklung und Herstellung von kohlenstoffbasierten Nano-Membranen, kümmern wir uns dann um die Übertragung der grundlegenden Forschungsergebnisse auf die industrielle Fertigung. Unser Ziel ist die großflächige Herstellung von Nano-Membranen im industriellen Maßstab“, so Dr. Albert Schnieders von CNM Technologies GmbH. Oberflächen-gebundene, einschichtige organische Moleküllagen dienen dabei als Ausgangsmaterial. Durch Pyrolyse – also thermo-chemische Spaltung – entstehen daraus sogenannte Graphen-Nanomembranen.

„Wir bei BASF werden die Graphen-Nano-Membranen dann in vielfältigsten Funktionstests auf ihre praktische Eignung für diverse Anwendungen hin untersuchen“, ergänzt Dr. Kitty Cha, Graphenforscherin bei BASF SE.

„Unser Job in Ulm wird es hingegen sein, das entwickelte Material mit speziellen Gerätschaften elektronenmikroskopisch zu charakterisieren, also Porengröße, Struktur auf atomarer Skala abzubilden und zu quantifizieren“, erklärt die Ulmer Physikerin Kaiser. Zum Einsatz kommt dabei ein spezielles Niederspannungs-Elektronenmikroskop, das Aufnahmen solcher Materialen in atomarer Auflösung erlaubt. „Das EU Graphen-Flaggschiff hat eine tolle Mannschaft aus europäischen Spitzenforschern und innovativen Firmen. Wir sind sehr gespannt auf dieses gemeinsame Forschungsabenteuer“, freut sich die Elektronenmikroskopie-Expertin auf faszinierend neue Einblicke in die Nano-Welt des Kohlenstoffs.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Ute Kaiser (Uni Ulm); Tel.: 0731 50 – 22 9 50; Email: ute.kaiser@uni-ulm.de
Dr. Andrey Turchanin (Uni Bielefeld); Tel.: 0521 – 1065376; Email: turchanin@physik.uni-bielefeld.de

Media Contact

Andrea Weber-Tuckermann idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Physik Astronomie

Von grundlegenden Gesetzen der Natur, ihre elementaren Bausteine und deren Wechselwirkungen, den Eigenschaften und dem Verhalten von Materie über Felder in Raum und Zeit bis hin zur Struktur von Raum und Zeit selbst.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Astrophysik, Lasertechnologie, Kernphysik, Quantenphysik, Nanotechnologie, Teilchenphysik, Festkörperphysik, Mars, Venus, und Hubble.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Atomkern mit Laserlicht angeregt

Dieser lange erhoffte Durchbruch ermöglicht neuartige Atomuhren und öffnet die Tür zur Beantwortung fundamentaler Fragen der Physik. Forschenden ist ein herausragender Quantensprung gelungen – sprichwörtlich und ganz real: Nach jahrzehntelanger…

Wie das Immunsystem von harmlosen Partikeln lernt

Unsere Lunge ist täglich den unterschiedlichsten Partikeln ausgesetzt – ungefährlichen genauso wie krankmachenden. Mit jedem Erreger passt das Immunsystem seine Antwort an. Selbst harmlose Partikel tragen dazu bei, die Immunantwort…

Forschende nutzen ChatGPT für Choreographien mit Flugrobotern

Robotik und ChatGPT miteinander verbinden… Prof. Angela Schoellig von der Technischen Universität München (TUM) hat gezeigt, dass Large Language Models in der Robotik sicher eingesetzt werden können. ChatGPT entwickelt Choreographien…

Partner & Förderer