Gefühl als verbindendes Element der Gesellschaft

Grundlage der Studie ist eine bundesweite Online-Befragung mit mehr als 2.800 Teilnehmern, die angeben sollten, welche Gefühle Begriffe aus verschiedenen Bereichen des sozialen Lebens bei ihnen auslösen. In der Studie werden die Grundlagen sozialer Wahrnehmung anhand der emotionalen Bedeutung von Sprache untersucht.

Die Ergebnisse seien ein Hinweis darauf, dass nicht nur die explizite Bedeutung bestimmter Begriffe innerhalb einer Gesellschaft übereinstimmt, sondern auch deren implizite Bedeutung auf der Ebene des Gefühls, erklären die Autoren der Studie. Unterschiede in der Wahrnehmung gebe es jedoch je nach sozialer Schicht.

So würden zum Beispiel Begriffe für soziale Beziehungen wie „Ehefrau“, „Lebensgefährte“ oder „Verbündeter“ von allen Befragten als angenehm und stark angesehen. Die Wissenschaftler stellten jedoch fest, dass Angehörige hoher sozioökonomischer Statusgruppen diese Begriffe tendenziell weniger positiv und stark bewerteten als mittlere und niedrige Statusgruppen.

Andererseits nähmen Angehörige hoher Statusgruppen Begriffe für abweichendes Verhalten wie „Schurke“, „Störenfried“ oder „Krimineller“ als unangenehmer, stärker und aufregender – also insgesamt bedrohlicher – wahr als mittlere und untere Statusgruppen.

Im Rahmen der Online-Befragung mussten die Teilnehmer insgesamt 909 Begriffe aus den Wortfeldern Autorität und Gemeinschaft bewerten. Das Verfahren ergänze bisher vorherrschende Umfrageverfahren zu Werten und Einstellungen, da es auf die Unmittelbarkeit und das Intuitive emotionaler Bedeutungen ziele, sagen die Soziologen Jens Ambrasat und Prof. Dr. Christian von Scheve, die die Studie in Kooperation mit den Psychologen Dr. Markus Conrad, Gesche Schauenburg und Prof. Dr. Tobias Schröder im Rahmen eines interdisziplinären Projekts am Cluster Languages of Emotion durchführten.

Diese unbewussten emotionalen Bedeutungen und Empfindungen, die Menschen mit bestimmten Begriffen verbinden, seien Richtschnur für die Einschätzung sozialer Situationen und das eigene Handeln und stabilisierten so die soziale Ordnung. Die „feinen Unterschiede“ zwischen den gesellschaftlichen Schichten erklären die Soziologen mit divergierenden Lebenswirklichkeiten in den verschiedenen sozialen Milieus.

Die Wörter wurden entsprechend ihrer emotionalen Bedeutung – den mit ihnen assoziierten Emotionen – zu sogenannten „Clustern“ zusammengefasst. Hierbei ergaben sich aufgrund des Gefühlsprofils bedeutungsvolle Cluster wie „institutionelle Autoritäten“, „nahestehende Personen“ oder „unsoziale Personen“. Dies sei ein Beleg für die große Relevanz von Gefühlen im gesellschaftlichen Zusammenleben, so die Wissenschaftler. Gleichzeitig lieferten die feinen Unterschiede in den emotionalen Bedeutungen Hinweise auf schichtspezifische Wahrnehmungsmuster und Verhaltensweisen.

Literatur

Jens Ambrasat, Christian von Scheve, Markus Conrad, Gesche Schauenburg, Tobias Schröder (2014): „Consensus and Stratification in the Affective Meaning of Human Sociality“, in: PNAS; published ahead of print May 19, 2014 (doi: 10.1073/pnas.1313321111).

Weitere Informationen

Jens Ambrasat, Cluster Languages of Emotion, Freie Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-50458, E-Mail: jens.ambrasat@fu-berlin.de

http://www.pnas.org/content/early/2014/05/14/1313321111.abstract

Media Contact

Dr. Nina Diezemann idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.fu-berlin.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Wolken bedecken die Nachtseite des heißen Exoplaneten WASP-43b

Ein Forschungsteam, darunter Forschende des MPIA, hat mit Hilfe des Weltraumteleskops James Webb eine Temperaturkarte des heißen Gasriesen-Exoplaneten WASP-43b erstellt. Der nahe gelegene Mutterstern beleuchtet ständig eine Hälfte des Planeten…

Neuer Regulator des Essverhaltens identifiziert

Möglicher Ansatz zur Behandlung von Übergewicht… Die rapide ansteigende Zahl von Personen mit Übergewicht oder Adipositas stellt weltweit ein gravierendes medizinisches Problem dar. Neben dem sich verändernden Lebensstil der Menschen…

Maschinelles Lernen optimiert Experimente mit dem Hochleistungslaser

Ein Team von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL), des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT und der Extreme Light Infrastructure (ELI) hat gemeinsam ein Experiment zur Optimierung…

Partner & Förderer