Welcher Nachbar am meisten stört

Das hat Merlin Schaeffer vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in seiner Analyse von rund 4.600 Telefoninterviews mit Deutschen ohne Migrationshintergrund herausgefunden. Die Frage, für die keine Vorauswahl an Antworten vorgegeben war, lautete: „Welche Gruppen von Menschen sind hauptsächlich für Probleme in Ihrer Nachbarschaft verantwortlich?“

Nur circa 13 Prozent der Nennungen von Problemgruppen entfallen auf ethnische Kategorien wie „Türken“, „Ausländer“ oder „Aussiedler“. Auf Religion, Hautfarbe oder Sprache wird von den Befragten nicht Bezug genommen – ganz anders als in der öffentlichen politischen Diskussion über Muslime in Deutschland.

Stattdessen wird die Trennlinie bei der Nationalität gezogen. Die meisten Nennungen entfallen zudem gar nicht auf ethnische Minderheiten: „Jugendliche“ werden mit 23 Prozent deutlich am häufigsten als problematisch eingestuft. „Offensichtlich schlagen sich Menschen im Alltag mit anderen Konflikten herum als denen, die in den Medien diskutiert werden“, schlussfolgert der Soziologe Merlin Schaeffer.

Ob Menschen Nachbarschaftsprobleme ethnischen Minderheiten zuschreiben, hängt nicht nur von individuellen Neigungen ab, sondern auch vom sozialen Umfeld: Nimmt die Arbeitslosigkeit vor Ort zu, werden verstärkt ethnische Minderheiten für Probleme verantwortlich gemacht. Dies zeigt sich insbesondere dort, wo die Arbeitslosigkeit seit Jahren anhaltend hoch ist.

Die Tendenz, Konfliktlinien entlang ethnischer Grenzen zu ziehen, wird außerdem von der Bevölkerungsstruktur beeinflusst. Je mehr Ausländer in einem Gebiet wohnen, desto häufiger werden sie als Verursacher von Problemen angesehen. Das gilt jedoch nur bis zu einem bestimmten Punkt: Die Wende liegt bei etwa 20 Prozent – ab hier nimmt die negative Wahrnehmung der Fremden nicht weiter zu, eine Art Gewöhnungseffekt tritt ein.

Schaeffers Analyse liegen die Daten des „Ethnic Diversity and Collective Action Survey“ zugrunde, die im Rahmen des WZB-Forschungsprojekts „Ethnische Vielfalt, soziales Vertrauen und Zivilengagement“ unter der Leitung von Ruud Koopmans erhoben wurden. In den Jahren 2009/10 wurden für das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Projekt insgesamt 10.200 Telefoninterviews geführt, 4.600 davon mit Deutschen ohne Migrationshintergrund. Der Artikel „Which groups are mostly responsible for problems in your neighbourhood? The use of ethnic categories in Germany” ist online in der Zeitschrift „Ethnic and Racial Studies” erschienen.

Pressekontakt:
Gabriele Kammerer
Referat Information und Kommunikation
fon: 030 25491 517
gabriele.kammerer@wzb.eu
Merlin Schaeffer
Abteilung Migration, Integration, Transnationalisierung
fon: 030 25491 459
schaeffer@wzb.eu

Media Contact

Dr. Paul Stoop idw

Weitere Informationen:

http://www.wzb.eu/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Diamantstaub leuchtet hell in Magnetresonanztomographie

Mögliche Alternative zum weit verbreiteten Kontrastmittel Gadolinium. Eine unerwartete Entdeckung machte eine Wissenschaftlerin des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart: Nanometerkleine Diamantpartikel, die eigentlich für einen ganz anderen Zweck bestimmt…

Neue Spule für 7-Tesla MRT | Kopf und Hals gleichzeitig darstellen

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglicht detaillierte Einblicke in den Körper. Vor allem die Ultrahochfeld-Bildgebung mit Magnetfeldstärken von 7 Tesla und höher macht feinste anatomische Strukturen und funktionelle Prozesse sichtbar. Doch alleine…

Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze

Projekt HyFlow: Leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem für moderne Energienetze. In drei Jahren Forschungsarbeit hat das Konsortium des EU-Projekts HyFlow ein extrem leistungsfähiges, nachhaltiges und kostengünstiges Hybrid-Energiespeichersystem entwickelt, das einen…

Partner & Förderer