Zweisprachige Kinder entwickeln sich anders

Kinder, die zweisprachig erzogen werden, unterscheiden sich in ihrer Entwicklung deutlich von Einsprachigen. Das berichten Forscher der York University in der Zeitschrift „Child Development“. Mehrere Eigenheiten der Zweisprachigkeit waren schon bisher bekannt. Nun konnten die kanadischen Experten zeigen, was dabei auf den Faktor Sprache und was auf andere Begleitumstände zurückgeht.

Mehr Sprachreflexion

„Viele Vorteile wie etwa höhere Intelligenz wurden bisher mit Zweisprachigkeit in Zusammenhang gebracht. Eindeutig bewiesen ist aber nur, dass Kinder mit zwei Sprachen ein erhöhtes Sprachbewusstsein besitzen“, erklärt die Zweisprachigkeits-Forscherin Anja Leist-Villis http://zweisprachigkeit.net gegenüber pressetext. Kinder, die in zwei Sprachen denken und reden, reflektieren früher über Sprache. „Auch die Inhibition – die Unterdrückung von nicht Relevantem, um sich auf ein Merkmal zu konzentrieren – gelingt ihnen besser. Der Spracherwerb in jeder einzelnen Sprache dauert allerdings etwas länger.“

Bessere Exekutivfunktion

Die kanadischen Forscher untersuchten 100 Sechsjährige, die entweder nur Englisch oder dazu auch Chinesisch, Französisch oder Spanisch sprachen. Ihr sozio-ökonomischer Hintergrund war ähnlich, bei den Zweisprachigen gab es jedoch deutliche Unterschiede in Sachen Kultur, Migrationshintergrund oder Schulsprache. Durch verschiedene Aufgaben überprüfte man, wie es um ihre verbale Entwicklung sowie um exekutive Funktionen stand.

Bei den nonverbalen Exekutivfunktionen – speziell bei der Fähigkeit, Bilder nach wechselnden Sortierregeln zuzuordnen – schnitten Zweisprachige durchgehend besser ab als Einsprachige. Bei verbalen Aufgaben hing die Leistung hingegen von Begleitumständen ab: „Zeigten die beiden gekonnten Sprachen viele Überschneidungen oder wurden die Kinder ihrer Unterrichtssprache getestet, waren sie auch hier im Vorsprung“, erklärt Studienautorin Ellen Bialystok.

Vermittlung hat Grenzen
Egal, ob zur Stärkung der verbalen, non-verbalen oder bloß der Fremdsprachenentwicklung: Das frühe Vermitteln einer Zweitsprache ist im Trend. Nicht immer ist die gewählte Vorgangsweise förderlich, glaubt Leist-Villis. „Man sollte als Elternteil mit dem Kind lieber die eigene Muttersprache sprechen. Nur wenige beherrschen eine Fremdsprache derart gut, dass sie dabei alle emotionalen Feinheiten abdecken. Besser ist es, Spaß und Interesse an Sprache zu vermitteln, etwa durch Spiele, Gedichte oder Lieder.“

Kritik übt die Expertin gegenüber dem wachsenden Fremdsprachen-Kursangebot für Kleinkinder. „Kinder lernen dabei meist bloß, dass es andere Sprachen gibt, vergessen das Gelernte aber meist wieder, wenn es für sie keine Bedeutung hat.“ Qualitativ hochwertig sind Fremdsprach-Angebote am ehesten dann, wenn sie von Muttersprachlern abgehalten werden, die mit dem unbewusst-intuitiven Spracherwerb der Kinder vertraut sind.

Zu hinterfragen sei jedoch auch, welche Sprache bei Kindergartenkursen vermittelt und auf diese Weise gefördert wird. „Meist werden nur imagereiche Sprachen unterstützt, die Kinder ohnehin später in der Schule lernen. Das enorme muttersprachliche Potenzial der Kinder etwa aus Spanien, Griechenland oder der Türkei lässt man dadurch brach liegen“, so die Erziehungswissenschaftlerin.

Media Contact

Johannes Pernsteiner pressetext.redaktion

Weitere Informationen:

http://www.yorku.ca

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