Wie steht es um die Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall?

Viele Herzinfarkte und Schlaganfälle wären vermeidbar, wenn die seit langem bekannten Empfehlungen zur Vorbeugung wirklich beherzigt würden. Gleichwohl wurde entsprechenden Risikofaktoren, die Herz-Kreislauf-Erkrankungen Vorschub leisten, selbst bei Patienten, die schon einmal einen Infarkt erlitten haben, bislang offensichtlich zu wenig Beachtung geschenkt.

Hat sich in puncto Prävention in den letzten zehn Jahren etwas getan? Wie ist es in Europa aktuell um die praktische Umsetzung der von Fachgesellschaften herausgegebenen Richtlinien bestellt? Diese Frage soll in der dritten Runde von EUROASPIRE, der größten Studie zur primären und sekundären Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall in Europa beantwortet werden. Vorsitzender des Leitungsgremiums der in 22 Ländern Europas durchgeführten Studie, bei der Deutschland durch den Regierungsbezirk Münster repräsentiert wird, ist Prof. Dr. Ulrich Keil, Direktor des Instituts für Epidemiologie und Sozialmedizin des Universitätsklinikums Münster (UKM).

In jeder der 22 europäischen Untersuchungsregionen werden im Rahmen dieser Studie ab Dienstag nächster Woche (19. September 2006) 500 Patienten mit koronarer Herzerkrankung untersucht und befragt. Zusätzlich werden in der Region Münster ebenso wie in Krakau, Prag, London und Zagreb jeweils 400 Schlaganfall-Patienten in die Studie einbezogen, um auch bei dieser gefährlichen Folge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen den neuesten Stand der Behandlung und Prävention zu eruieren. Kooperationspartner für die in der Region Münster durchgeführte Deutschland-Untersuchung sind die Medizinische Klinik C des UKM unter der Leitung von Prof. Dr. Günter Breithardt, die Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie unter der Leitung von Prof. Dr. Hans H. Scheld, die Abteilung Kardiologie des St. Franziskus-Hospitals in Münster unter der Leitung von Dr. Peter Kleine-Katthöfer sowie die Klinik für Neurologie des UKM unter der Leitung von Prof. Dr. Erich Bernd Ringelstein. Untersucht werden Patienten dieser Kliniken, deren akute Erkrankung oder operativer Eingriff zwischen sechs Monaten und drei Jahren zurückliegt.

In einem etwa einstündigen standardisierten Interview werden sie ausführlich zu Gefäßerkrankungen und Risikofaktoren, Lebensweise, Motivation zur Änderung des Lebensstils, Lebensqualität und aktueller Medikamenten-Einnahme befragt. Von jedem Patienten wird ein genaues Risikoprofil erstellt und es wird untersucht , ob die klassischen Risikofaktoren, wie beispielsweise Bluthochdruck oder zu hohe Fettwerte, adäquat behandelt werden. Ziel der Erhebung ist es, herauszufinden, ob die von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie und anderen relevanten Fachgesellschaften herausgegebenen Richtlinien zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Praxis auch wirklich umgesetzt werden. Besonders im Blick haben die Wissenschafter dabei die so genannte Sekundärprävention, das heißt die Situation bei Patienten, die bereits einmal einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten haben.

Ingesamt werden in der EUROASPIRE III-Studie, deren erste Ergebnisse voraussichtlich Ende nächsten Jahres vorliegen, 11.000 Patienten untersucht. Die Gesamtauswertung wird sich drei bis vier Jahre hinziehen. Da kaum ein anderer Bereich der gesundheitlichen Versorgung im Sinne von evidenzbasierter Medizin so weit fortgeschritten ist wie der Herz-Kreislauf-Bereich, ist es nach Worten von Studienleiter Keil besonders wichtig, herauszufinden, warum sich die Versorgungssysteme in Europa und Deutschland so schwer damit tun, die formulierten Empfehlungen der einschlägigen Fachgesellschaften zur sekundären und primären Prävention von KHK und Schlaganfall auch vollständig in die Praxis umzusetzen.

Da sich bei den vorangehenden EUROASPIRE-Studien (1995 und 2000) die Erwartung, dass sich die Praxis der präventiven Kardiologie in Europa verbessert habe, nur im Bezug auf die Behandlung der erhöhten Lipidspiegel erfüllt hat, sehen die Initiatoren von EUROASPIRE III nun mit großer Erwartung den neuen Ergebnissen entgegen. Die Studie ist laut Keil ein klassisches Beispiel für hochkarätige Versorgungsforschung in Europa. „Die Ergebnisse der Studien sollten auch zu einer eingehenden Systemanalyse unseres gesundheitlichen Versorgungssystems führen, denn bei der Nichteinhaltung von Leitlinien spielen neben Faktoren der Patienten und der behandelnden Ärzte immer auch Fragen des Versorgungssystems eine wichtige Rolle“, betont der münstersche Epidemiologe und Sozialmediziner. So kann er sich zum Beispiel Versorgungssysteme vorstellen, die stärkere Anreize für die primäre und sekundäre Prävention bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung oder Schlaganfall geben.

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