Prozessüberwachung senkt Fertigungskosten

In der Lohnfertigung von Müller + Guski OHG in Herscheid waren Werkzeugschneiden immer wieder weit vor der geplanten Zeit gebrochen. Vor allem beim Spanen von nicht rostendem Stahl passierte dies regelmäßig. Bei einem größeren Auftrag, es ging um Näherungsschalter für Kunden aus der Automobilbranche, schlug dies empfindlich zu Buche. Aber auch weitere Aufträge verliefen kritisch, so Geschäftsführer Achim Guski, denn die Ist- und Soll-Werte beim Werkzeugverschleiß klafften oft weit auseinander. So ergaben durch feste Wechselzeiten bedingte Werkzeugbrüche in der Nachkalkulation jeweils Hunderte von Euro an Mehrkosten.

Wendeplatten schon vor der vorgesehenen Zeit verschlissen

Meist waren die Wendeplatten schon vor Ablauf der vorgesehenen Zeit verschlissen und angearbeitete Teile konnten nicht mehr fertig bearbeitet werden. Umgekehrt war bei anderen Schneideinsätzen zum Wechselzeitpunkt die tatsächliche Standzeit noch nicht ausgeschöpft, wie sich bei der Prüfung der vermeintlich verschlissenen Schneidplatten herausstellte.

Unter dem Strich wurden damit jedoch nicht nur die Stückkosten in die Höhe getrieben. Auch die Werkstücktoleranz war weniger eng als gewünscht. Bedienerarme Schichten waren unmöglich und Termintreue zu halten, gestaltete sich schwieriger.

Überwachungssystem zeigt notwendigen Werkzeugaustausch zuverlässig an

Um das zu ändern, waren rechtzeitig zuverlässige Aussagen erforderlich, wann die Werkzeuge ausgetauscht werden müssen. Die Lösung: Ein Überwachungssystem der Hürther Nordmann GmbH + Co. KG. Auf einer Drehmaschine Emco Turn 345 erfolgte die Probeinstallation für einen Pauschalpreis von 700 Euro.

Über zwei Monate wurde das Überwachungssystem geprüft. Bereits nach einer Woche Testbetrieb zeigte sich, dass sich der Verschleiß der Wendeschneidplatten anhand der auf die Werkzeuge wirkenden Schnittkräfte, die vom Tool-Monitor als Messkurven dargestellt und mit Grenzwerten überwacht werden, exakt ablesen ließ. Hatte man anfangs vor allem danach geschaut, inwieweit die zuvor gemachten eigenen Erfahrungswerte mit den dargestellten Messkurven übereinstimmten, verließ sich Guski bereits ab der zweiten Woche ganz auf das Messgerät und seine Sicherungsfunktion.

Die Arbeitsweise des Tool-Monitors ist einfach und beruht auf unterschiedlichen Wirkprinzipien. Aus den Messwerten der digitalen Antriebsdaten der Maschine (Strom, Drehmoment oder Wirkleistung) oder der direkt mit Hallsensoren gemessenen Wirkleistung oder des per Körperschallsensor berührend oder drahtlos registrierten Körperschalls von Maschine oder Werkstück, einer Kraft- oder Dehnungsmessung oder der Unterbrechung einer die Werkzeuglänge prüfenden Strahlschranke aus Kühlschmierstoff oder Pressluft, bildet das Gerät Messkurven, die entsprechend der jeweiligen Aufgabe mit Grenzwerten umgeben werden. Gegebenenfalls müssen die Signale zuvor geglättet, gefiltert und gleichgerichtet sowie auch Mittelwerte gebildet werden.

Bei überschreiten der vorgegebenen Grenzwerte wird die Schutzfunktion ausgelöst

Bricht ein Werkzeug oder stumpft es ab, verändert sich die Wirkleistungsaufnahme des Antriebsmotors. Bei Müller + Guski wird die Leistungsaufnahme mittels Hallsensoren und Spannungsabgriff am Frequenzumrichter des Werkstückspindelmotors erfasst.

Parallel gemessen wird der Körperschall, der durch die Spanbildung und Reibung der Schneide am Werkstück entsteht, am Revolverkasten. Die Messkurve überschreitet bei Verschleiß oder Bruch die zuvor gesetzten Grenzen und der Tool-Monitor löst Schutzfunktionen an der Maschinen-CNC aus: Das kann ein sofortiger Vorschubstopp sein, eine Umschaltung der Vorschubgeschwindigkeit, der Aufruf eines Schwesterwerkzeuges oder die Abspeicherung der Werkzeugposition.

Eingegebene Grenzwerte können am Bildschirm des Tool-Monitors SEM-Modul manuell grafisch korrigiert werden. Nach einem falschen Alarm wird der Grenzwert automatisch korrigiert.

Wirkleistungsmessung erkennt Verschleiß vor dem Werkzeugbruch

Mit der Wirkleistungsmessung kann übermäßiger Verschleiß erkannt werden, der sonst zu einem Werkzeugbruch führt oder grobe Maßfehler verursacht. Dadurch können die Werkzeuge bis zu ihrem tatsächlichen Standzeitende betrieben und Brüche verhindert werden. Trotzdem auftretende Brüche aufgrund fehlerhaften Schneidstoffs oder anderer Unwägbarkeiten werden sofort erkannt und eine Ausschussproduktion vermieden.

Letztendlich müssen maßhaltige Werkstücke die Maschine verlassen. Allein die Wirkleistungsmessung kann das nur bei recht weit gefassten Toleranzen gewährleisten. Um die Einhaltung enger Toleranzen im Mikrometer- oder Hundertstelbereich zu gewährleisten, horcht der Körperschallsensor am Revolverkasten ein Zerspanungswerkzeug ab, das kritische Stellen des fertig bearbeiteten Werkstückes „abtastet“.

Ein Werkzeug ist ausschließlich für Prüfzwecke vorgesehen

Die zugrunde liegende patentierte Methode ist folgende: Wenn das Zerspanungswerkzeug infolge Abstumpfung entweder eine zu kurze Schneide hat oder aufgefedert ist, bleibt zu viel Material auf dem Werkstück stehen. Das Teil hat außen Übermaß, Innenbearbeitungen haben Untermaß. In Stichproben oder auch nach der Zerspanung jedes Werkstücks wird ein ausschließlich für Prüfzwecke vorgesehenes Tool an der Kontur des schnell rotierenden Werkstückes entlanggefahren.

Liegt irgendwo ein Über- oder Untermaß vor, berührt das Prüfwerkzeug das Teil und es entsteht ein Reibungsgeräusch, das vom Körperschallsensor registriert wird. Das Werkstück kann noch in der Maschine korrekt nachbearbeitet werden und die folgenden Teile bleiben aufgrund der Korrektur der Werkzeugeinstellung auch innerhalb der Maßtoleranz.

Reibungsgeräusch schon bei Abweichung von 1 µm

Das Reibungsgeräusch entsteht schon bei der leichtesten Berührung. In der Regel ist der Unterschied im Reibungsgeräusch zwischen „Berührung“ und „keine Berührung“ deutlich genug, um die Werkstückmaße mit einer Auflösung von 1 µm zu kontrollieren. Temperaturbedingte Positionsänderungen der Prüfschneide relativ zur Drehachse des Werkstücks können unmittelbar zuvor mit einer Positionsfindung der Schneide am Werkstückspannfutter – ebenfalls per Reibungsgeräuscherkennung – kompensiert werden.

Obwohl diese Überwachung nach dem eigentlichen Bearbeitungsprozess stattfindet, bietet sie gegenüber externen Messsystemen gleich mehrere Vorteile:

-Ein bereits für Bruchkontrolle vorhandener Schallsensor kann für den Prüfschnitt mitbenutzt werden, ohne dass zusätzliche Sensoren erforderlich sind.

-Der Prüfschnitt erfolgt noch in der Maschine: eine korrigierende Nachbearbeitung ist noch in derselben Aufspannung möglich.

-Trotz Anwendung der Messmethode im Arbeitsraum sind keine Maßnahmen gegen Verschmutzung notwendig. Das unterscheidet sie von herkömmlichen im Maschinenraum angebrachten Messsystemen.

-Auf aufwändige externe Messsysteme kann weitgehend verzichtet werden. Der Prüfschnitt reicht aus, um die Maßhaltigkeit innerhalb der vorgegebenen Toleranz zu garantieren.

-Durch Stichproben – etwa Prüfschnitt nur bei jedem 20. oder 50. Teil – kann die Überwachung mittels Prüfschnitt nahezu taktzeitneutral stattfinden.

-Anders als bei händischer Stichprobe werden die Maße automatisiert kontrolliert.

Der entscheidende Nutzen ist, dass die Werkzeuge genau dann ausgetauscht werden können, wenn ihre Funktion – eng toleriertes Zerspanen bei qualitativ zufriedenstellender Werkstückoberfläche – erschöpft ist. Des Weiteren ist sichergestellt, dass kein Werkstück mit überschrittenen Maßtoleranzen die Maschine verlässt.

Das spart bares Geld und vermeidet Reklamationen der Kunden. Darüber hinaus ist nun ein bedienerloser Betrieb der Maschine möglich.

Ermutigt durch diese Erfahrung wurde Guski kreativ. Sein Ansatz: Über 14-polige Eurostecker-Schnittstellen könnte das Nordmann-Messmodul doch auch mit weiteren Werkzeugmaschinen verbunden werden. Dies wäre möglich, da kritische Teile selten auf mehreren Maschinen gleichzeitig bearbeitet werden. So könnte ein einziger Tool-Monitor bei Bedarf verschiedene Operationen und Werkzeuge auf verschiedenen Maschinen überwachen.

Einsatz des Tool-Monitors über schwenkbare Pulte

So ließ Guski an vier weiteren Maschinen schwenkbare Pulte anbringen, auf denen der Tool-Monitor jeweils beim Einsatz steht, wenn er gebraucht wird. Die einmal eingelernten Überwachungsprogramme können gespeichert und bei Wiederholteilen wieder abgerufen werden. Stamm-Maschine ist nach wie vor eine Emco Turn 345.

Auch an Wochenenden und über Nacht nutzt das Herscheider Unternehmen die Kommunikationsfähigkeit des Tool-Monitors. Im Fall außergewöhnlicher Betriebszustände – Werkzeug gebrochen – wird via SMS ein Mitarbeiter verständigt, der dann eingreifen kann.

Wolfgang Fili ist freier Journalist in 50529 Köln; Dr.-Ing. Klaus Nordmann ist Geschäfsführer der Nordmann GmbH in Hürth.

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Wolfgang Fili und Klaus Nordmann MM MaschinenMarkt

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