Piezoelektrisches Holz: Strom aus dem Parkett

Scanning electron microscopy (SEM) images of balsa wood (left) and delignified wood illustrate the structural changes.
Credit: ACS Nano / Empa

Forschende der Empa und der ETH Zürich haben Holz in einen Mikro-Generator verwandelt. Wenn es belastet wird, entsteht eine elektrische Spannung. So kann das Holz als Bio-Sensor dienen – oder Energie erzeugen. Der allerneuste Clou: Damit das Verfahren ohne aggressive Chemikalien auskommt, übernehmen in der Natur vorkommende, holz-abbauende Pilze die nötige Modifikation.

Dass Holz nicht nur als Baumaterial genutzt werden kann, hat das Team um Ingo Burgert an der Empa und der ETH Zürich schon öfter bewiesen. In den Forschungsarbeiten geht es häufig darum, die vorhandenen Eigenschaften von Holz so zu erweitern, dass es sich für völlig neue Anwendungsbereiche eignet. So entstand beispielsweise bereits hochfestes, wasserabweisendes oder magnetisierbares Holz. Nun hat das Team gemeinsam mit der Empa-Forschungsgruppe um Francis Schwarze und Javier Ribera ein einfaches, umweltfreundliches Verfahren entwickelt, um elektrische Spannung mit einer Art Holzschwamm zu erzeugen, wie sie vergangene Woche im renommierten Fachmagazin «Science Advances» berichteten.

Spannung durch Verformung

Will man mit Holz eine elektrische Spannung erzeugen, kommt der sogenannte piezoelektrische Effekt ins Spiel. Piezoelektrizität bedeutet, dass durch die elastische Verformung von Festkörpern eine elektrische Spannung entsteht. Dieses Phänomen macht sich vor allem die Messtechnik zunutze, indem sie Sensoren verwendet, die beispielsweise bei mechanischer Belastung ein Ladungssignal erzeugen. Für derartige Sensoren werden allerdings oft Stoffe verwendet, die für den Gebrauch im biomedizinischen Bereich ungeeignet sind, etwa Blei-Zirkonat-Titanat (PZT), das aufgrund des Bleis für den Einsatz auf der Haut nicht in Frage kommt. Ausserdem erschwert es eine ökologische Entsorgung von PZT und Co.

Den natürlichen piezoelektrischen Effekt von Holz nutzen zu können, bietet daher bestimmte Vorteile. Weitergedacht könnte der Effekt auch zur nachhaltigen Energiegewinnung dienen. Doch zunächst muss Holz einmal die entsprechenden Eigenschaften erhalten. Denn ohne spezielle Behandlung des Holzes entsteht bei einer mechanischen Beanspruchung nur eine sehr geringe elektrische Spannung im Verformungsprozess.

Vom Klotz zum Schwamm

Schon wenig Druck kann im Holzschwamm eine elektrische Spannung erzeugen.
ACS Nano / Empa

Jianguo Sun, Doktorand im Team von Burgert, wendete ein Verfahren an, das die Grundlage für diverse Weiterentwicklungen von Holz bildet: die Delignifizierung. Holzzellwände bestehen aus drei Grundstoffen: Lignin, Hemizellulosen und Zellulose. «Das Lignin benötigt ein Baum in erster Linie, um weit in die Höhe wachsen zu können. Ohne Lignin als stabilisierenden Stoff, der die Zellen verbindet und das Ausknicken der zugsteifen Zellulosefibrillen verhindert, wäre das nicht möglich», erklärt Burgert.

Um Holz in ein leicht verformbares Material umzuwandeln, muss das Lignin zumindest teilweise «herausgelöst» werden. Dies gelingt, indem man das Holz in eine Mischung aus Wasserstoffperoxid und Essigsäure einlegt. Im Säurebad wird das Lignin herausgelöst, übrig bleibt ein Gerüst aus Zelluloseschichten. Bei diesem Verfahren ging es Burgerts Team darum, mit relativ einfachen und umweltschonenden Prozessen zu arbeiten: «Wir machen uns die hierarchische Struktur des Holzes zunutze, ohne sie, wie etwa bei der Papierherstellung, zuerst aufzulösen und die Fasern anschliessend wieder verbinden zu müssen.» Der daraus entstandene weisse Holzschwamm besteht aus übereinanderliegenden, dünnen Zelluloseschichten, die sich einfach zusammenpressen lassen und sich dann wieder in ihre ursprüngliche Form ausdehnen.

Strom aus dem Holzboden

Die Forschungsgruppe unterzog den Testwürfel mit einer Seitenlänge von etwa 1.5cm rund 600 Belastungszyklen. Das Material zeigte dabei eine erstaunliche Stabilität. Bei jeder Belastung massen die Forscher eine Spannung von rund 0.63 V – eine Spannung, die für eine Anwendung als Sensor brauchbar wäre. In weiteren Experimenten versuchte das Team, die mögliche Skalierbarkeit dieses Nanogenerators auszuloten. So konnten sie etwa zeigen, dass 30 solcher Holzklötze, wenn diese parallel mit dem Körpergewicht eines Erwachsenen belastet werden, bereits ein einfaches LCD-Display zum Leuchten bringen. Denkbar wäre bei einer weiteren Optimierung des Prozesses auch ein funktionalisierter Parkettboden, der die Trittenergie in Strom umwandelt. Die Tauglichkeit als drucksensitiver Sensor auf der menschlichen Haut testeten die Forscher und zeigten damit, dass auch eine Anwendung im medizinischen Bereich möglich wäre.

Anwendung in Vorbereitung

Die Arbeiten zur jüngsten Publikation des Empa-ETH Zürich-Teams gehen indes noch einen Schritt weiter: Ziel war es, das Verfahren so abzuwandeln, dass es ohne aggressive Chemikalien auskommt. Einen geeigneten Kandidaten, der die Delignifizierung in Form eines biologischen Prozesses vornehmen kann, fanden die Forschenden in der Natur: Der Pilz Ganoderma applanatum verursacht Weissfäulnis im Holz. «Der Pilz baut das Lignin und die Hemizellulose im Holz besonders schonend ab», erläutert Empa-Forscher Javier Ribera das umweltverträgliche Verfahren. Zudem lasse sich der Prozess im Labor gut steuern.

Bis zur Nutzung des «Piezo»-Holzes als Sensor oder als stromerzeugender Parkettboden sind zwar noch einige Schritte zu tun. Doch die Vorteile eines so simplen und gleichzeitig nachwachsenden und biologisch abbaubaren piezoelektrischen Systems liegen auf der Hand – und werden nun von Burgert und seinen Kollegen in weiteren Forschungsprojekten untersucht. Und um die Technologie für die industrielle Anwendung zu adaptieren, sind die Forschenden bereits im Gespräch mit möglichen Kooperationspartnern.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Ingo Burgert
Empa: Cellulose & Wood Materials
ETH: Wood Materials Science
Tel. +41 44 6337773
Ingo.Burgert@empa.ch
iburgert@ethz.ch

Prof. Dr. Francis Schwarze
Cellulose & Wood Materials
Tel. +41 58 765 44 34
Francis.Schwarze@empa.ch

Originalpublikation:

J Sun, H Guo, GN Schädli, K Tu, S Schär, FWMR Schwarze, G Panzarasa, J Ribera, I Burgert; Enhanced mechanical energy conversion with selectively decayed wood; Science Advances ((2021)); https://doi.org/10.1126/sciadv.abd9138

J Sun, H Guo, J Ribera, C Wu, K Tu, M Binelli, G Panzarasa, FWMR Schwarze, ZL Wang, I Burgert; Sustainable and Biodegradable Wood Sponge Piezoelectric Nanogenerator for Sensing and Energy Harvesting Applications; ACS Nano (2020); https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acsnano.0c05493

Weitere Informationen:

https://www.empa.ch/web/s604/strom-aus-dem-parkett

Media Contact

Dr. Andrea Six Kommunikation
Empa - Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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Kommentare (1)

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  1. Zwei Fragen dazu:
    Wieviel Energie muss man aufwenden um dieses optimierte Holz herzustellen und wie lange muss ich darauf rumlaufen, bis diese Menge wieder produziert ist?
    Wie steht es mit der Haltbarkeit?

    Grundsätzlich finde ich das ja eigentlich ganz cool ?

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