Sprachförderung einmal anders oder warum es wichtig ist, zweisprachig zu erziehen – das Kieler Modell

Prof. Dr. Ernst Apeltauer lehrt an der Universität Flensburg Deutsch als fremde Sprache. Diesem Fach komme, so der Wissenschaftler, in den nächsten Jahren eine große Bedeutung zu. Er belegt dies mit Zahlen: In zehn Jahren sei damit zu rechnen, dass jedes zweite Grundschulkind über einen Migrationshintergrund verfüge, so Prof. Apeltauer. Der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund, die die Schule ohne Abschluss verlassen, ist im letzten Jahr von 12% auf 13% gestiegen. Gegenwärtig haben 40 Prozent der Zuwanderer zwischen 25 und 35 Jahren keinen beruflichen Abschluss – unter anderem auch deshalb, weil ihre Sprachkompetenz im Deutschen nicht ausreichend entwickelt ist.

Das Kieler Modell startete 2002. Durch Aufklärungs- und Fortbildungsarbeit konnten Eltern zur Mitarbeit gewonnen werden. Auch Erzieherinnen wurden weiterqualifiziert. Die Folge: Bei den Kindern der Modellgruppe wurde Freude an der Sprache geweckt, aber auch Freude an Schrift und an Büchern entwickelt, wichtige Voraussetzungen für die später schulische Arbeit. Dies ist die eine Säule des Modells. Die andere: Die Muttersprache darf bei ausländischen Kindern nicht in wohlmeinender Absicht zurückgedrängt werden. Denn – das zeigen Ergebnisse der Hirnforschung – die Muttersprache kann nicht abgeschaltet werden. Sie wird immer aktiviert, wenn die Zweitsprache gebraucht wird. Eine Anerkennung und Wertschätzung der Erstsprache und -kultur fördert das Selbstbewusstsein bei Kindern und Eltern und erleichtert zugleich das Explorationsverhalten der Kinder, so Prof. Apeltauer. Mit der Muttersprache sammeln die Kinder ihr (Welt-)Wissen, Wissen, das sie brauchen, um sich in der Welt zu Recht zu finden und später dem Unterricht zu folgen. Sie brauchen dieses Wissen aber auch, um die zweite Sprache lernen und anwenden zu können.

Der vorgestellte Film wurde in einer Kindertagesstätte im Kieler Ortsteil Gaarden gedreht. Er zeigt, wie sich die Kinder an Lernstationen Wissen und Sprache aneignen – oft aus eigenem Antrieb, sobald sie mit den Stationen vertraut waren. Wichtig ist auch, dass die Eltern, etwa als Vorlesepaten in die Sprachfördermaßnahmen einbezogen wurden. Denn Eltern sind Vorbilder beim Lesen. „Wenn Vater oder Mutter ihrem Kind pro Tag eine Geschichte vorlesen, so regen sie damit das Wachstum der Muttersprache an und helfen dadurch immens“, erklärt Prof. Apeltauer.

Mittlerweile werden etwa 1000 Kinder in 11 Kindertageseinrichtungen der Stadt Kiel nach den Grundsätzen des Kieler Modells betreut. Auch in Nordrhein-Westfalen findet das Modell mehr und mehr Anwendung. Der Film „Literalität und Spracherwerb von zweisprachigen Kindern – das Kieler Modell“ kann für 20 Euro beim Amt für Schule, Kinder- und Jugendeinrichtungen der Stadt Kiel erworben werden.

Kontakt:
Prof. Dr. Ernst Apeltauer, Institut für Germanistik, Abt. Deutsch als fremde Sprache an der Universität Flensburg
Mail: apeltaue@uni-flensburg.de
Dr. Helge Möller, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Universität Flensburg, Tel.: 0461 – 14 44 916, E-Mail: presse@uni-flensburg.de

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