Auch Hühner orientieren sich am Magnetfeld der Erde – Magnetsensoren nicht nur bei Zugvögeln

Offenbar hat sich der magnetische Richtungssinn bei Vögeln schon zu einem frühen Zeitpunkt der Evolution entwickelt. Den gemeinsamen Vorfahren der heutigen Vögel diente das Magnetfeld der Erde vermutlich dazu, sich in ihrem Lebensraum besser zurechtzufinden.

Vor 40 Jahren wies Prof. Wolfgang Wiltschko erstmals nach, dass Rotkehlchen sich beim Vogelzug nach dem Magnetfeld der Erde richten. Der Magnetsensor vermittelt ihnen den Verlauf der Feldlinien des Erdmagnetfelds. Damit ergibt sich ein Inklinationskompass, der auf die Neigung des Erdmagnetfeldes zur Erdoberfläche reagiert und so unterscheidet zwischen „polwärts“, der Seite, auf der die Feldlinien nach unten, und „äquatorwärts“, wo sie nach oben geneigt sind. Zusätzlich ist der eingebaute Kompass sehr fein auf die Feldstärke des lokalen Erdmagnetfelds abgestimmt, doch kann er sich flexibel auf andere Feldstärken einstellen, die die Zugvögel auf ihrem Flug antreffen.

Inzwischen hat man einen solchen Kompass in mehr als 20 Vogelarten entdeckt, wobei die überwiegende Mehrzahl zu den Singvögeln gehört, die als Zugvögel jährliche Wanderungen unternehmen. Jetzt ist es einer internationalen Arbeitsgruppe unter der Federführung des Ehepaar Wolfgang und Roswitha Wiltschko von der Universität Frankfurt gelungen, auch beim Haushuhn einen magnetischen Richtungssinn nachzuweisen.

Frisch geschlüpfte Hühner-Küken wurden dazu auf ein rotes Bällchen geprägt, das sie fortan als ihre „Mutter“ betrachteten. Die Forscher versteckten das Bällchen nun hinter einem von vier Schirmen und lehrten die Küken durch Training, dass sich die „Mutter“ immer hinter dem Schirm in nördlicher Richtung befand. Um nachzuweisen, dass das Huhn diese Himmelsrichtung mit seinem magnetischen Richtungssinn aufspürt, legten die Forscher ein künstliches Magnetfeld in östlicher Richtung an. Und tatsächlich suchten die Küken ihre „Mutter“ nun hinter dem Schirm, der im Osten lag.

Weiterführende Versuche zeigten, dass der magnetische Sensor der Hühner ganz ähnlich funktioniert wie derjenige der Rotkehlchen. Er reagiert ebenfalls auf die Inklination und die lokale Feldstärke des Erdmagnetfeldes. Seinen Sitz hat der Magnetsensor vermutlich im Auge, denn die Vögel benötigen kurzwelliges Licht (zum Beispiel blaues Licht), um sich orientieren zu können. Bei langwelligem Licht jenseits der Gelbtöne geht diese Fähigkeit allen bisher untersuchten Vögeln verloren. Die Forschergruppe schließt aus diesen Ähnlichkeiten, dass magnetischer Richtungssinn eine Fähigkeit sein könnte, die allen Vögeln gemeinsam ist. Da man in der Evolutionsgeschichte weit zurück gehen muss, bis man einen gemeinsamen Vorfahren von Hühnern und Rotkehlchen findet, muss diese Fähigkeit sich schon ausgebildet haben, bevor die Vögel begannen zu ziehen. Demnach hat der magnetische Richtungssinn bereits den Urvögeln dabei geholfen, sich in ihrem Lebensraum zügig zwischen ihrem Nest, dem Schlafplatz, Nahrungs- und Wasserquellen zu bewegen.

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W. Wiltschko et al. (2007): The magnetic compass of domestic chickens, Gallus gallus. Journal of Experimental Biology 210, 2300-2310. – http://jeb.bioilogists.org/cgi/reprint/210/13/2300

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Informationen:
Prof. Roswitha und Prof. Wolfgang Wiltschko, Fachbereich Biowissenschaften, Biologie-Campus, Siesmayerstr. 70, 60323 Frankfurt am Main. Tel: (069) 798-24703, wiltschko@bio.uni-frankfurt.de, wiltschko@zoology.uni-frankfurt.de

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Stephan M. Hübner idw

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