Zellen aus dem Chip

Falschfarben-Darstellung der kuriosen Schläuche in 1000-facher Vergrößerung <br>Petra Dittrich/ISAS

Anders als die meisten anderen Herstellungsmethoden bietet diese nicht nur die Möglichkeit zur Massenproduktion, sondern erleichtert auch noch die weitere Bearbeitung der Zellen. Noch ohne Anwendung, aber dennoch überraschend: die Methode kann neben der für Zellen üblichen Bläschen-Form auch schlauchartige Gebilde erzeugen, die außergewöhnlich lang sind.

Die Herstellung künstlicher Zellen beschäftigt die Bio- und Nanotechnologie schon seit einigen Jahren. Wissenschaft und Industrie setzen große Erwartungen in sie: Künstliche Zellen könnten als Bioreaktoren den klimaneutralen Energieträger Wasserstoff in Massen produzieren oder als eine Art Taxi medizinische Wirkstoffe gezielt zu kranken Zellen bringen.

Doch um in einer Zelle etwas produzieren oder transportieren zu können, braucht sie erst mal eine geeignete Hülle, die Zellmembran. Sie muss flexibel und doch stabil sein, wie eine Haut das Innere schützen, aber gleichzeitig durchlässig sein für Nähr- oder Wirkstoffe und Wasser. Diese Aufgabe hat die Natur mit einer Doppelschicht aus hauptsächlich Fettsäuren, sogenannten Lipiden gelöst. Die künstliche Erzeugung von Zellmembranen auf Lipid-Basis ist jedoch schwierig, für die Massenproduktion waren bisherige Ansätze eher ungeeignet. Einen neuen und kostengünstigen Weg haben Wissenschaftler des ISAS – Institute for Analytical Sciences entdeckt. Wie sie in der englischen Zeitschrift „Lab on a Chip“ berichten, können sie mit Hilfe eines Mikrochips Zellmembranen in beliebig großer Zahl herstellen.

Der Chip besteht aus drei übereinander liegenden Ebenen, in der oberen und unteren Ebene haben die Forscher winzige Kanäle, in der mittleren ebenso winzige Löcher angebracht. Gefüllt mit Wasser und Lipiden, funktioniert das ganze im Prinzip wie eine Seifenblasen-Maschine, nur statt Seifenblasen produziert der Chip eben Zellen. Außer der Möglichkeit zur Massenproduktion bietet die Methode noch weitere Vorteile, so lässt sich beispielsweise die gewünschte Größe der Zellen vorher genau definieren. „Da wir im Moment nur mit einem einzigen Chip arbeiten, haben alle von uns hergestellten Zellmembranen die gleiche Größe von etwa drei Mikrometer“, erklärt Petra Dittrich vom ISAS. „Variiert man jedoch den Durchmesser von Kanälen und Löchern, sind vermutlich Größen von 300 Nanometer bis zu 30 Mikrometer machbar“. Und noch ein Plus für die Herstellung per Mikrochip: die weitere Bearbeitung ist einfach. Soll etwa ein Wirkstoff in die Zellmembranen eingebracht oder deren Inhalt analysiert werden, können die dafür notwendigen Apparaturen direkt in den Chip integriert werden. So wird das bei anderen Methoden unvermeidliche Pipettieren überflüssig.

Die Mikrochip-Methode kann jedoch noch etwas: Bei geringeren Druckunterschieden zwischen der oberen und unteren Ebene entstehen keine Bläschen, sondern Schläuche. Das Erstaunliche daran: die Zell-Schläuche haben bei einem Durchmesser von drei Mikrometer eine Länge von bis zu anderthalb Zentimetern. Das ist ungefähr so, als könnte ein 30 Zentimeter dickes und anderthalb Kilometer langes Rohr in einem Stück hergestellt werden. Zudem drehen sich die Schläuche manchmal auf wie Kordeln; warum sie das tun, können die Wissenschaftler im Moment noch nicht erklären. „Wir wissen nicht, ob die Schläuche überhaupt für irgendetwas zu gebrauchen sind“, erläutert Dittrich. „Aber wer weiß, vielleicht können sie eines Tages Injektionsnadeln ersetzen, dann müsste es beim Arzt nicht mehr so pieksen…“

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