Chemikalienpolitik auf dem Prüfstand

Die Neuregelung des europäischen Chemikalienrechts wird kontrovers diskutiert. Das Fraunhofer ISI hat jetzt die Folgen der REACH-Verordnung bewertet.


Über 100.000 chemische Stoffe werden in Europa in unzähligen Mixturen genutzt – vom Waschmitteltensid bis zum Lösungsmittel in Lacken. Das zehn Jahre alte Chemikalienrecht hatte zum Ziel, zumindest die in großen Mengen hergestellten Stoffe systematisch zu testen – doch nur für etwa 30 Stoffe ist dies auch gelungen. Die Europäischen Kommission plant deshalb eine Neuregelung des Chemikalienrechts und hat im Oktober 2003 unter der Bezeichnung REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) einen Verordnungsentwurf vorgelegt. Er sieht eine Umkehr der Beweislast vor: Während bisher die Behörden nachweisen mussten, dass Stoffe schädliche Auswirkungen haben, soll künftig die Industrie den Nachweis erbringen, dass die angebotenen Chemikalien sicher sind. Über die Neuregelung wird heftig gestritten. Während sie den Umweltverbänden nicht weit genug geht, läuft die Chemische Industrie Sturm dagegen. Sie befürchtet eine Kostenlawine und Nachteile im internationalen Wettbewerb.

Das Fraunhofer ISI hat jetzt gemeinsam mit Ökopol (Hamburg) für das Bundesumweltministerium die Kosten und den Nutzen von REACH exemplarisch für die zwei Produktketten Farben und Lacke sowie Wasch- und Reinigungsmittel untersucht. Danach könnten sich die Marktpreise für manche Stoffe in Farben und Lacken um bis zu 20 Prozent erhöhen, bei einigen Spezialtensiden in Reinigungsmitteln könnten sie sich sogar verdoppeln. Solche Preisschübe sind aber nur bei Stoffen mit kleinem Produktionsvolumen zu erwarten. Für Massenprodukte liegen die Preiserhöhungen durch REACH höchstens bei Bruchteilen von Prozenten.

Eine Kritik an REACH lautet, dass Stoffe vom Markt genommen würden, wenn der Hersteller die Registrierungskosten nicht an den Markt weitergeben könne. Es zeigte sich aber, dass die Hersteller der Fertigprodukte schon bisher laufend alte Stoffe ersetzen müssen, weil diese nicht mehr wirtschaftlich waren oder weil die Produktion aus gesetzlichen Gründen eingestellt werden musste. Die Suche nach Ersatzprodukten und neuen Mischungen ist ein normaler Vorgang, mit dem innovative Firmen gut zurecht kommen.

Die Wirkungen von REACH auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Chemiehersteller sind durch das verbesserte Wissensmanagement und mehr Transparenz bei der Chemikaleinnutzung positiv. „Europäische Unternehmen werden dank REACH zu Pionieren eines modernen Chemikalienmanagements“, verspricht ISI-Projektleiterin Katrin Ostertag.

Von REACH werden alle Wertschöpfungsstufen der Wirtschaft betroffen: die Stoffhersteller, die Hersteller chemischer Zubereitungen, alle übrigen Industriesektoren und das Handwerk. Das Fraunhofer ISI unterstützt Unternehmen bei der Vorbereitung auf die Verordnung und ihre Umsetzung.

Kontakt:
Dr. Gerhard Angerer
Telefon: (0721) 6809 – 117
E-Mail: g.angerer@isi.fraunhofer.de

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