Erstmals 6G-Mobilfunk in Alpen getestet

Montage der Reflektorantenne auf dem Hafelekargipfel in 2334 Metern Höhe.
Foto: ILH / Universität Stuttgart

Forschende der Universität Stuttgart erzielen leistungsstärkste Verbindung.

Notrufe selbst in entlegenen Gegenden absetzen und dabei hohe Datenmengen in Echtzeit übertragen? Das soll möglich werden mit der sechsten Mobilfunkgeneration – kurz 6G. Forschende und Studierende an der Universität Stuttgart demonstrieren in den Alpen die bislang leistungsstärkste Richtfunkverbindung, die zwischen Berg und Tal installiert wurde. Reichweite und Datenrate übertreffen bekannte Kommunikationsstandards und könnten die Art und Weise, wie wir kommunizieren, grundlegend verändern.

Das Team platzierte einen Testsender und -empfänger auf einer Skipiste, um die Ausrichtung der Reflektorantenne zu kalibrieren.
Das Team platzierte einen Testsender und -empfänger auf einer Skipiste, um die Ausrichtung der Reflektorantenne zu kalibrieren. (c) ILH / Universität Stuttgart

Das Projekt EIVE-T an der Universität Stuttgart soll die nächste Generation der Mobilfunkkommunikation auf den Weg bringen. „Mit der Datenübertragung im zukünftigen 6G-Netz müssen wir enorm gesteigerte Datenraten bei einer extrem niedrigen Latenzzeit erzielen“, erklärt Professor Ingmar Kallfass vom Institut für Robuste Leistungshalbleitersysteme (ILH) an der Universität Stuttgart. Dadurch ließen sich rund zehnmal mehr Daten übertragen und nahezu in Echtzeit empfangen. „Dafür brauchen wir enorme Kapazitäten und Geschwindigkeiten an allen Orten der Erde. Die Schlüsselkomponenten für ein weltumspannendes, drahtloses Kommunikationsnetz dieser Art sind Satellitenkommunikation und Breitband-Datenübertragung.“

Globales 6G-Mobilfunknetz mit Glasfaser und Satelliten

Satellitenkommunikation erhöht die Netzabdeckung weit über herkömmliche terrestrische Infrastrukturen, wie etwa Glasfasernetze. Die Kombination von Satelliten- und Breitband-Kommunikationstechnologien strickt ein dichtes Netz von 6G-Datenknotenpunkten, wodurch sich etwa hochauflösende Streaming- oder Internet-of-Things-Angebote mobil nutzen, ferngesteuerte Drohnenflüge durchführen und Notrufe in Gebirgen absetzen lassen – jederzeit und überall.

„Ein 6G-Netz verspricht, die Art und Weise, wie wir kommunizieren, Geschäfte tätigen und mit der Welt um uns herum interagieren, grundlegend zu verändern, indem es eine zuverlässige und allgegenwärtige Hochgeschwindigkeits-Kommunikationsinfrastruktur schafft“, so Kallfass. „Mit dieser Technologie ist es möglich, jeden Winkel der Erde mit zuverlässigem Netz abzudecken. Wir denken hier von dicht besiedelten Städten bis hin zu den entlegensten Regionen.“

Forscherteam bringt erstmals Breitbandinternet in die Alpen

Kallfass und sein Team haben nun in den österreichischen Alpen nahe Innsbruck eine Breitband-Funkverbindung demonstriert: Sie erstreckt sich zwischen dem Tal Götzens und dem Hafelekargipfel in 2334 Metern Höhe über eine Länge von 2 x 10,5 Kilometern und überträgt Daten mit einer Geschwindigkeit von 25 Gigabit pro Sekunde. „Das entspricht einer rund zehnfachen Erhöhung sowohl der Distanz als auch der Datenrate im Vergleich zu herkömmlichem Richtfunk“, erklärt Kallfass.

Dem Forscherteam der Universität Stuttgart ist es damit gelungen, erstmals eine solche Verbindung im Gebirge zwischen Tal und Gipfel zu demonstrieren. Noch dazu unter extremen winterlichen Gelände- und Wetterbedingungen. Hinzu kommt, dass zur Datenübertragung teils dichte Wolkenschichten durchdrungen werden müssen und die Elevation damit so hoch ist, wie bei der Kommunikation zwischen Satelliten und Bodenstationen. Eine weitere Herausforderung bestand darin, ohne direkte Sicht die Reflektorantenne auf dem Berg präzise auf das Terminal im Tal auszurichten.

Eigens für diesen Zweck entwickelte das Team um Kallfass einen Peilsender. Damit lässt sich die Antenne auf dem Gipfelterminal kalibrieren und so auch ohne Sichtverbindung präzise auf das Terminal im Tal schwenken. Exakt kalibriert, empfängt und reflektiert die Antenne auf dem Gipfel, ähnlich wie ein Spiegel, das vom Sender ausgehende Signal zum Empfänger. Mit dieser Technologie müssen Sender und Empfänger nicht in unmittelbarer Nähe zueinander platziert sein. Dadurch gelang es den Forschenden die Übertragungsstrecke zu verdoppeln. „Der Vorteil ist, dass sich robuste und zuverlässige Daten- und Internetverbindungen überall dort schnell aufbauen lassen, wo sie gebraucht werden. Zum Beispiel in abgelegenen Regionen oder Gebieten, in denen Umweltkatastrophen die Netzinfrastruktur zerstört haben“, erläutert Kallfass.

Über das Projekt EIVE-T

Das Projekt EIVE-T (Exploratory In-Orbit Verification of an E-Band Satellite Communication Link – Terrestrial Mission) ist am ILH der Universität Stuttgart verortet und finanziert durch das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) sowie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Wissenschaftliche Unterstützung leisteten das Fraunhofer Institut für Angewandte Festkörperphysik (IAF) und die Radiometer Physics GmbH mit Technologien für Sender und Empfänger. Forschende und Studierende demonstrierten die reichweitenstärkste und schnellste Richtfunkverbindung, die bislang zwischen Berg und Tal errichtet wurde. Ziel des Projekts ist es, eine wesentliche Schlüsselkomponente für ein global flächendeckendes, leistungsfähiges 6G-Mobilfunknetz zu verwirklichen.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Ingmar Kallfass, Universität Stuttgart, Institut für Robuste Leistungshalbleitersysteme, Tel.: +49 711 685 68747, E-Mail: ingmar.kallfass@ilh.uni-stuttgart.de
https://www.ilh.uni-stuttgart.de/

Weitere Informationen:

https://www.ilh.uni-stuttgart.de/forschung/mmw/EIVE-T/

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Jacqueline Gehrke Stabsstelle Hochschulkommunikation
Universität Stuttgart

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