Warum schaust Du mir (nicht) in die Augen?

Wer bei Objekten zuerst auf den oberen Bereich schaut, tut dies auch bei Gesichtern: Die Blickpunkte eines „up lookers“ sind in blau dargestellt, die Blickpunkte eines „down lookers“ in rot.
(c) Frieder Hartmann

Analyse von Blickbewegungen: Ob Menschen die Augen- oder die Mundpartie in einem Gesicht fixieren, hängt mit ihrem allgemeinen Blickverhalten zusammen.

Menschen betrachten Gesichter auf individuelle Weise. Manche neigen dazu, die Augen zu fokussieren, andere die Mitte des Gesichts oder die Mundpartie. Bisher brachten Psychologinnen und Psychologen solche Vorlieben in Zusammenhang mit Aspekten des Sozialverhaltens. So können soziale Angst oder Autismusspektrumsstörungen zur Vermeidung von Blickkontakt führen. Nun entdeckten Forschende der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) einen überraschenden Zusammenhang: Die individuelle Art, Gesichter zu betrachten, hängt damit zusammen, wie wir auf Objekte schauen. Die Ergebnisse der Studie sind im renommierten Fachjournal PNAS erschienen.

Das Forscherteam ohne Punkte auf den Augen: Prof. Ben de Haas (l.) und sein Doktorand Maximilian Broda.
Das Forscherteam ohne Punkte auf den Augen: Prof. Ben de Haas (l.) und sein Doktorand Maximilian Broda. (c) Frieder Hartmann

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeichneten Blickbewegungen hunderter Freiwilliger auf, die Bilder alltäglicher Szenen betrachteten. Dies ermöglichte die Analyse von über 1,8 Millionen Blickbewegungen, die auf Gesichter oder unbelebte Objekte fielen. Dabei zeigte sich ein unerwarteter Zusammenhang: Teilnehmende, die dazu neigten, die Augenpartie zu fokussieren, also auf den oberen Teil eines Gesichts zu schauen, richteten ihre Blicke auch höher auf unbelebte Objekte. Wer häufiger in die Augen blickte, schaute also auch auf höhere Bereiche einer Dose Cola oder Leuchtreklame. Bei Menschen, die dazu neigten, die Mundpartie zu fixieren, war es genau umgekehrt.

Maximilian Broda, Erstautor der Studie und Doktorand in der Abteilung für Allgemeine Psychologie der JLU, erklärt: „Unsere Teilnehmenden unterschieden sich zuverlässig in der Eigenschaft höher oder niedriger auf alle möglichen Arten von Objekten zu schauen. Anders als bisher gedacht, galt das nicht nur für Gesichter.“ Sein Doktorvater Prof. Ben de Haas, Ph.D., ergänzt: „Noch wissen wir nicht, warum manche Menschen höhere Bereiche fixieren als andere. Vermutlich stehen im Hintergrund aber ganz grundlegende Mechanismen der individuellen Biologie.“ Aktuell prüfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Beispiel, welche Rolle die visuelle Auflösung in verschiedenen Bereichen der Netzhaut dabei spielt.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass grundlegende Mechanismen der visuellen Verarbeitung weitreichende Konsequenzen für menschliche Interkation und sogar Entwicklungsstörungen haben könnten“, so de Haas. „Diese Studie zeigt die Notwendigkeit, zukünftig stärker mit Forschenden anderer Bereiche zusammenzuarbeiten, zum Beispiel aus der klinischen Psychologie.“

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Maximilian Broda
Abteilung für Allgemeine Psychologie der JLU
E-Mail: maximilian.broda@psychol.uni-giessen.de

Prof. Ben de Haas, Ph.D.
Abteilung für Allgemeine Psychologie der JLU
E-Mail: benjamin.de-haas@psychol.uni-giessen.de

Originalpublikation:

Maximilian Davide Broda and Benjamin de Haas: Individual differences in human gaze behavior generalize from faces to objects. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) Vol. 121 | No. 12, online veröffentlicht am 12. März 2024
www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2322149121

http://www.uni-giessen.de/

Media Contact

Caroline Link Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Kommunikation Medien

Technische und kommunikationswissenschaftliche Neuerungen, aber auch wirtschaftliche Entwicklungen auf dem Gebiet der medienübergreifenden Kommunikation.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Interaktive Medien, Medienwirtschaft, Digitales Fernsehen, E-Business, Online-Werbung, Informations- und Kommunikationstechnik.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Forschende enthüllen neue Funktion von Onkoproteinen

Forschende der Uni Würzburg haben herausgefunden: Das Onkoprotein MYCN lässt Krebszellen nicht nur stärker wachsen, sondern macht sie auch resistenter gegen Medikamente. Für die Entwicklung neuer Therapien ist das ein…

Mit Kleinsatelliten den Asteroiden Apophis erforschen

In fünf Jahren fliegt ein größerer Asteroid sehr nah an der Erde vorbei – eine einmalige Chance, ihn zu erforschen. An der Uni Würzburg werden Konzepte für eine nationale Kleinsatellitenmission…

Zellskelett-Gene regulieren Vernetzung im Säugerhirn

Marburger Forschungsteam beleuchtet, wie Nervenzellen Netzwerke bilden. Ein Molekülpaar zu trennen, hat Auswirkungen auf das Networking im Hirn: So lässt sich zusammenfassen, was eine Marburger Forschungsgruppe jetzt über die Vernetzung…

Partner & Förderer