Reaktionskaskade zur Herstellung fluorierter Moleküle

Die neue Strategie weist Parallelen zur Origami-Kunst auf: Die Reihe der Faltschritte steht für aufeinanderfolgende Reaktionen.
(c) Universität Münster - AG Gilmour

Ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Ryan Gilmour vom Institut für Organische Chemie der Universität Münster hat in „Nature Communications“ über die schnelle Erzeugung neuer fluorierter Molekülbausteine für die Arzneimittelforschung mittels Organokatalyse berichtet.

Natürlich vorkommende organische Moleküle enthalten nur selten Fluor. Für die Herstellung von Arzneimitteln oder Agrochemikalien ist dieses chemische Element jedoch unverzichtbar. Die synthetische Chemie spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer fluorhaltiger Molekülbausteine. Einfache, modulare Synthese-Strategien sind besonders gefragt.

Ein Team unter der Leitung von Prof. Dr. Ryan Gilmour vom Institut für Organische Chemie der Universität Münster hat jetzt eine Reaktionskaskade entwickelt, die es ermöglicht, mehrere Fluorierungsreaktionen durch die sequenzielle Erzeugung reaktiver Zwischenprodukte durchzuführen. Die Gruppe setzte preiswerte organische Katalysatoren und einfache Ausgangsstoffe ein. Sie zeigte, dass der jeweilige Ausgangsstoff durch eine Art „molekulares Origami“ transformiert werden kann, um in einem einzigen Arbeitsschritt drei neue Klassen von zwei- bis dreifach fluorierten Molekülen zu erzeugen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Der schrittweise Aufbau komplexer fluorierter Moleküle kann mehrere Aufreinigungsschritte erfordern. Dies treibt die Kosten in die Höhe, benötigt zusätzliche Zeit und erzeugt Abfälle. Dr. Joel Häfliger und Dr. Louise Ruyet aus der Arbeitsgruppe von Ryan Gilmour fanden heraus, dass durch eine Feinabstimmung der Reaktionsbedingungen mehrere aufeinanderfolgende Reaktionen in einem einzigen Reaktionsgefäß möglich sind. So erzeugten sie aus einfachen Cyclobutanol-Derivaten drei neue Klassen komplexer fluorierter Produkte. „Die Strategie weist Parallelen zur Origami-Kunst auf, bei der man aus einem einfachen Stück Papier komplexe Figuren faltet“, veranschaulicht Louise Ruyet. „Dieses Prinzip lässt sich auf unsere chemische Methode übertragen.“

Die Reihe der Faltschritte steht für aufeinanderfolgende Reaktionen. „Ausgehend von unserem Stück Papier – dem Cyclobutanol-Derivat – wird eine Zwischenverbindung hergestellt. Diese Verbindung kann je nach Reaktionsbedingungen zu verschiedenen Produkten verarbeitet werden“, sagt Joel Häfliger, der Hauptautor der Arbeit. Der Schlüssel zum Erfolg des Ansatzes war die Verwendung eines sauren Mediums, um das Substrat zu aktivieren und ein Zwischenprodukt zu erzeugen, das in einen katalytischen Zyklus eingebunden werden kann. Das Team synthetisierte als Anwendungsbeispiel ein fluoriertes Analogon des Wirkstoffs Nafenopin, der bei Hypolipidämie – einem auffällig niedrigen Lipidspiegel im Blut – eingesetzt wird.

Der Europäische Forschungsrat unterstützte die Arbeit finanziell (ERC Consolidator Grant RECON “Reprogramming Conformation by Fluorination: Exploring New Areas of Chemical Space”. Grant agreement ID: 818949).

Ausführliche Bildzeile:

Die Reihe der Faltschritte steht für aufeinanderfolgende Reaktionen. Ausgehend vom Ausgangsstoff Cyclobutanol („Blatt Papier“) kann eine isolierbare Zwischenverbindung hergestellt werden („Origami-Hut“). Durch die Zugabe eines Brønsted-Säure-Aktivators wird eine intramolekulare Cyclisierung ausgelöst, die zu hochwertigen Tetralin-Derivaten führt („Origami-Boot“). Andererseits können sogenannte Nukleophile durch die Aktivierung der benzylischen Kohlenstoff-Fluor-Bindung eingeführt werden („Origami-Herz“).

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Ryan Gilmour
Chair of Organic Chemistry & CiMIC Professor of Chemical Biology
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
E-Mail: ryan.gilmour@uni-muenster.de

Originalpublikation:

J. Häfliger, L. Ruyet, N. Stübke, C. G. Daniliuc and R. Gilmour (2023): Integrating I(I)/I(III) Catalysis in Reaction Cascade Design Enables the Synthesis of gem-Difluorinated Tetralins from Cyclobutanols. Nature Communications, 14, 3207; DOI: https://www.nature.com/articles/s41467-023-38957-w

https://www.uni-muenster.de/news/view.php?cmdid=13492

Media Contact

Dr. Christina Hoppenbrock Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Wolken bedecken die Nachtseite des heißen Exoplaneten WASP-43b

Ein Forschungsteam, darunter Forschende des MPIA, hat mit Hilfe des Weltraumteleskops James Webb eine Temperaturkarte des heißen Gasriesen-Exoplaneten WASP-43b erstellt. Der nahe gelegene Mutterstern beleuchtet ständig eine Hälfte des Planeten…

Neuer Regulator des Essverhaltens identifiziert

Möglicher Ansatz zur Behandlung von Übergewicht… Die rapide ansteigende Zahl von Personen mit Übergewicht oder Adipositas stellt weltweit ein gravierendes medizinisches Problem dar. Neben dem sich verändernden Lebensstil der Menschen…

Maschinelles Lernen optimiert Experimente mit dem Hochleistungslaser

Ein Team von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL), des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT und der Extreme Light Infrastructure (ELI) hat gemeinsam ein Experiment zur Optimierung…

Partner & Förderer