Paläobiologie: Komplexe Verwandtschaftsverhältnisse

Protogobius attiti
Philippe Keith

Einem internationalen Forscherteam unter Leitung von LMU-Professorin gelingt es erstmals, Fossilien einer der artenreichsten Fischgruppen in einen Stammbaum einzuordnen.

Grundeln sind eine der artenreichsten Fischgruppen der Meere und Süßgewässer, sie sind weltweit verbreitet und mit etwa 2300 Arten, die sich auf acht Familien verteilen, auch höchst divers. Zu verstehen wie, warum und wann es zu dieser Vielfalt kam, ist überaus kompliziert. Zur Lösung dieser Fragen können Fossilien von Grundeln ganz konkret beitragen, sind sie doch das direkte Zeugnis der Grundelvielfalt vor vielen Millionen Jahren.

Rhyacichthys guilberti
Philippe Keith

Allerdings muss man dazu herausfinden, ob die fossilen Grundeln einer der heutigen Familien angehören, und wenn ja, welcher. Und dieses Problem konnte bislang nicht, oder nur unzureichend, gelöst werden. Denn die einzelnen Familien der Grundeln haben im Lauf ihrer Evolution nur wenige neue Merkmale, sogenannte Apomorphien, erworben. Und von diesen wichtigen Merkmalen sind in fossilen Grundeln oder Gobioidei, so der Fachname, in aller Regel nur wenige überliefert. Daher konnten bislang die meisten fossilen Grundeln nicht, oder nur mit einer hohen Unsicherheit, einer Familie zugeordnet werden.

Um dieses Problem zu lösen, nutzte ein internationales Forscherteam unter Leitung von LMU-Paläontologin Bettina Reichenbacher den bereits bekannten molekularen Stammbaum der Grundeln und ergänzte die molekularen erstmals mit morphologischen Daten. Durch diese Technik konnten dann fossile Grundelarten dem etablierten Stammbaum der heutigen Grundeln „hinzugefügt“ werden. Oder, anders ausgedrückt, die Fossilien wurden im Stammbaum ihrer heutigen Nachkommen „platziert“. Dabei landeten einige der Fossilien im Stammbaum dort wo sie in früheren Studien bereits vermutet wurden, andere fanden sich nun in ganz neuer, teilweise überraschender, familiärer Umgebung. „Wir halten unseren Ansatz für wegweisend für alle weiteren phylogenetischen Untersuchungen an fossilen Grundeln“, sagt Reichenbacher. Die Forscher erhoffen sich dadurch ein besseres Verständnis der Evolutionsgeschichte dieser faszinierenden Fische.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Bettina Reichenbacher
Department of Earth and Environmental Sciences
Palaeontology & Geobiology
Tel.: +49 (0) 89 2180 6603
E-Mail: b.reichenbacher@lrz.uni-muenchen.de

Originalpublikation:

An integrative phylogenetic approach for inferring relationships of fossil gobioids (Teleostei: Gobiiformes), PLOS One, 2022.
https://doi.org/10.1371/journal.pone.0271121

http://www.uni-muenchen.de/

Media Contact

LMU Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Atomkern mit Laserlicht angeregt

Dieser lange erhoffte Durchbruch ermöglicht neuartige Atomuhren und öffnet die Tür zur Beantwortung fundamentaler Fragen der Physik. Forschenden ist ein herausragender Quantensprung gelungen – sprichwörtlich und ganz real: Nach jahrzehntelanger…

Wie das Immunsystem von harmlosen Partikeln lernt

Unsere Lunge ist täglich den unterschiedlichsten Partikeln ausgesetzt – ungefährlichen genauso wie krankmachenden. Mit jedem Erreger passt das Immunsystem seine Antwort an. Selbst harmlose Partikel tragen dazu bei, die Immunantwort…

Forschende nutzen ChatGPT für Choreographien mit Flugrobotern

Robotik und ChatGPT miteinander verbinden… Prof. Angela Schoellig von der Technischen Universität München (TUM) hat gezeigt, dass Large Language Models in der Robotik sicher eingesetzt werden können. ChatGPT entwickelt Choreographien…

Partner & Förderer