Ein wichtiger Schritt zum Neuromorphen Rechnen: richtungsweisende Arbeit aus Dresden

Grafik Neuromorphes Rechnen © TU Dresden

„Eines der erklärten Ziele der Forschung im Bereich des neuromorphen Rechnens besteht darin, die selbstorganisierende und selbstregulierende Natur des Gehirns in Schaltkreisen wie auch in Materialien abzubilden – daher die Bezeichnung neuromorph“, so Prof. Gianaurelio Cuniberti, der die Arbeit koordiniert hat.

Die dadurch entstehenden Rechner sollen in der Lage sein, ihre Leistung und Aufgaben im laufenden Einsatz entsprechend den Anforderungen anzupassen und zu optimieren und auch solche Problemstellungen lösen können, für die sie ursprünglich nicht programmiert wurden. Sie lernen beständig weiter und besitzen dabei die sogenannte Plastizität eines biologischen Nervensystems.

Unter der Plastizität versteht man die Eigenschaft, sich zur Anpassung laufender Prozesse nutzungsabhängig in Aufbau und Funktion zu verändern – also den elektronischen Schaltkreis wenn erforderlich von seinen einzelnen Schaltelementen aus neu auszurichten und aufzubauen.

Ein weiterer Vorteil neuromorpher Rechner besteht in ihrem grundsätzlichen Aufbau. Im menschlichen Gehirn werden Speicherung und Verarbeitung von Information am selben Ort durchgeführt, gleichzeitig und parallel über ein komplexes Netzwerk synaptischer Verbindungen zwischen mehr als hundert Milliarden Neuronen.

Dies unterscheidet das Gehirn grundlegend von heutigen Computern. Diese funktionieren nach dem von-Neumann-Prinzip, bei dem die beiden elementaren Funktionen Speichern und Rechnen in getrennten Einheiten durchgeführt werden.

Die dabei zusätzlich erforderlichen Verbindungen zwischen Speicher und Recheneinheit schränken die Fähigkeit zur flexiblen Lösung komplexer Probleme ein und verursachen einen enormen Energie- und Materialverbrauch.

Neuromorphe Rechnerarchitekturen, wie sie durch die Dresdner Entdeckung ermöglicht werden, zielen hingegen darauf ab, deutlich über von-Neumann-Rechner hinauszugehen.

Sie verbinden Speicherung und Verarbeitung von Informationen innerhalb einer lernfähigen funktionalen Einheit – im konkreten Fall einem aufwändig konstruierten Silizium-Nanodraht-Transistor mit einer Sol-Gel-Beschichtung, die für die Plastizität nach dem Vorbild der Neuronen sorgt.

Damit können leistungsstarke, schnelle und flexible, vom Gehirn inspirierte Algorithmen, wie sie z.B. für die Künstliche Intelligenz benötigt werden, auf Hardware-Ebene ausgeführt werden.

„Diese seit langem bestehende Vision ist durch die Arbeit des Forscherteams ein großes Stück näher gerückt!“, so Cuniberti abschließend.

Prof. Gianaurelio Cuniberti
Technische Universität Dresden
Tel.: +49 351 463-31420
E-Mail: projects.nano@tu-dresden.de

Intrinsic plasticity of silicon nanowire neurotransistors for dynamic memory and learning functions
Eunhye Baek, Nikhil Ranjan Das, Carlo Vittorio Cannistraci, Taiuk Rim, Gilbert Santiago Cañón Bermúdez, Khrystyna Nych, Hyeonsu Cho, Kihyun Kim, Chang-Ki Baek, Denys Makarov, Ronald Tetzlaff, Leon Chua, Larysa Baraban & Gianaurelio Cuniberti
Nature Electronics (2020).
https://www.nature.com/articles/s41928-020-0412-1
https://doi.org/10.1038/s41928-020-0412-1

Media Contact

Kim-Astrid Magister idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.tu-dresden.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Das Mikrobiom verändert sich dynamisch und begünstigt wichtige Funktionen für den Wirt

Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Kieler SFB 1182 untersucht am Beispiel von Fadenwürmern, welche Prozesse die Zusammensetzung des Mikrobioms in Wirtslebewesen steuern. Alle vielzelligen Lebewesen – von den einfachsten tierischen und…

Wasser im Boden – genaue Daten für Landwirtschaft und Klimaforschung

Die PTB präsentiert auf der Woche der Umwelt, wie sich die Bodenfeuchte mithilfe von Neutronenstrahlung messen lässt. Die Bodenfeuchte hat nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern ist als Teil…

Bioreaktor- und Kryotechnologien für bessere Wirkstofftests mit humanen Zellkulturen

Medizinische Wirkstoffforschung… Viele Neuentwicklungen von medizinischen Wirkstoffen scheitern, weil trotz erfolgreicher Labortests mit Zellkulturen starke Nebenwirkungen bei Probanden auftreten. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel die verwendeten Zellen aus tierischem…

Partner & Förderer