Tête à tête der Flaschenbürsten

Copolymere aus einem knäuel- und einem stäbchenförmigen Block lagern sich zu riesigen Micellen zusammen

Beim Begriff Polymer denkt man meist an lange flexible Kettenmoleküle, die sich wie Spaghetti im Teller winden. Polymere können aber auch anders aufgebaut und eher starr sein, Seitenketten tragen, verästelt, sternförmig oder wie winzige Kämme und Flaschenbürsten aussehen. Einem Team aus Wissenschaftlern von den Universitäten Mainz und Aachen ist es nun gelungen, riesige molekulare „Flaschenbürsten“ herzustellen und diese mit molekularen „Spaghetti“ zu verknüpfen. In organischen Lösungsmitteln aggregieren diese Blockcopolymere zu gigantischen kugelförmigen Micellen.

Kuppelt man unterschiedliche Polymertypen aneinander, erhält man so genannte Blockcopolymere, Produkte, die völlig andere Eigenschaften haben als die einzelnen „Blöcke“, aus denen sie aufgebaut sind. Besonders interessant sind Blockcopolymere aus sehr gegensätzlichen Blöcken – etwa flexiblen, verknäuelten Ketten und starren Stäbchen. Blockcopolymere dieses Typs enthielten bisher nur vergleichsweise kurze Stäbchen. Den Teams um Manfred Schmidt und Jun Okuda schwebte dagegen ein Molekül mit wesentlich längerer Stabkomponente vor. Ihr Ansatz: Das Stäbchen könnte aus einem Bürstenpolymer bestehen, einem Polymer aus einer langen Hauptkette, von der eine sehr große Zahl an kürzeren Seitenketten ausgeht, die wie die Borsten einer zylindrischen Flaschenbürste in alle Richtungen abstehen. Die Abstoßung zwischen diesen dicht an dicht sitzenden „Borsten“ sorgen für eine gestreckte, relativ steife Konformation des Polymers. Solche Bürsten lassen sich herstellen, indem die Borsten auf eine Hauptkette aufgepfropft werden. Bürsten mit exakt definierter Borstenzahl und -verteilung liefert allerdings nur eine andere, bislang wenig von Erfolg gekrönte Route: Die einzelnen Borsten sukzessive zur Bürste miteinander zu verknüpfen. Im Rahmen eines von der DFG geförderten Sonderforschungsbereichs ist es den Forschern nun gelungen, relativ lange Bürstenpolymere mithilfe eines Samarium-haltigen Metallocen-Katalysators borstenweise herzustellen. Am Schluss knüpften sie an das eine Ende der Flaschenbürsten noch ein Spaghetti-Knäuel an. Durch eine chemische Umsetzung lassen sich die Spaghetti anschließend so verändern, dass sie eine Vielzahl negativer Ladungen tragen. So entsteht ein Blockcopolymer aus einem wasserfreundlichen Knäuel und einer wasserabweisenden, fettfreundlichen Bürste. In dem organischen Lösungsmittel Tetrahydrofuran sind die darin unlöslichen Knäuel-Enden bestrebt, sich möglichst eng zusammenzulagern und sich von ihren gut löslichen Bürsten-Enden vom Lösungsmittel abschirmen zu lassen. So entstehen ungewöhnlich große sphärische Micellen mit einem wasserfreundlichen Kern und einer fettfreundlichen Schale.

Kontakt: Prof. Dr. M. Schmidt
Institut für Physikalische Chemie
Johanndes-Gutenberg-Universität
Jakob-Welder-Weg 11
D-55128 Mainz
Germany

Tel.: (+49) 06131-39-23770
Fax: (+49) 06131-39-22970

E-mail: mschmidt@mail.uni-mainz.de

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Dr. Renate Hoer idw

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