Plastikmüll stört Kommunikation: Bayreuther Studie zeigt Risiken für Ökosysteme auf

Typische Körperform des Wasserflohs Daphnia longicephala: li. ohne, re. mit Verteidigungsstrukturen. Die „Kopfhaube“ erinnert an einen Helm und reduziert das Risiko, gefressen zu werden, deutlich. Foto: Christian Laforsch

„Forschungsarbeiten zu den möglichen Effekten von Plastikpartikeln in der Umwelt haben sich bisher auf direkte Auswirkungen fokussiert, die beispielsweise auftreten können, wenn diese mit der Nahrung aufgenommen werden. Wir haben hingegen an einem Fallbeispiel nachgewiesen, welche potenziellen Risiken die bloße Anwesenheit von Plastikmüll in Ökosystemen hat“, erklärt Prof. Dr. Christian Laforsch, der die Forschungsarbeiten koordiniert hat.

Von kleinen im Plankton lebenden Krebsen der Gattung Daphnia (Wasserflöhe) ist bekannt, dass sie sich vor Fressfeinden durch vergrößerte körpereigene Strukturen schützen: Beispielsweise entwickelt die Art Daphnia longicephala eine große „Kopfhaube“ und einen langen Stachel.

Dadurch sind sie vor Angriffen ihrer Fressfeinde, in diesem Fall Wasserwanzen, geschützt. Botenstoffe, sogenannte Kairomone, bewirken, dass sich diese Strukturen ausbilden.

Sie werden von natürlichen Fressfeinden im Wasser abgegeben und signalisieren den Daphnien die Anwesenheit der Räuber. Das Team der Bayreuther Biologen hat nun untersucht, wie es um dieses körpereigene Verteidigungssystem bestellt ist, falls sich in der Umwelt der Wasserflöhe auch Plastikpartikel befinden.

Für diese Tests haben sie zwei Kunststoffsorten ausgewählt, die besonders häufig in Gewässern gefunden werden. In den Versuchsansätzen, in denen Plastikpartikel im Wasser waren, wurden die der Verteidigung dienenden Strukturen deutlich schwächer ausgebildet.

„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Kairomone zu einem erheblichen Teil an den Plastikpartikeln anlagern – ein Vorgang, der als Adsorption bezeichnet wird. Dadurch können sie im Wasser nicht mehr detektiert werden, so dass den Wasserflöhen fälschlicherweise eine geringere Gefahr signalisiert wird“, sagt der Erstautor der Studie, Benjamin Trotter M.Sc., Doktorand an der Universität Bayreuth.

Die Folgen dieser gestörten Unterwasser-Kommunikation könnten weitreichend sein. Die Wasserflöhe unterschätzen die Gefahren, die ihnen von natürlichen Fressfeinden drohen, entwickeln keine ausreichende Abwehr und fallen daher ihren Fressfeinden häufiger zum Opfer.

„Daphnien haben eine entscheidende Bedeutung für das natürliche Nahrungsnetz in stehenden Gewässern“, sagt die Bayreuther Doktorandin Anja Ramsperger M.Sc., die an der Studie ebenfalls mitgewirkt hat. Eine derartige Fehlanpassung, bedingt durch das bloße Vorkommen von Plastik in der Umwelt, könnte das gesamte Nahrungsnetz beeinflussen und somit Auswirkungen auf das entsprechende Ökosystem haben.

Prof. Dr. Christian Laforsch
Lehrstuhl für Tierökologie I
Universität Bayreuth
Tel.: +49 (0) 921 / 55- 2650
E-Mail: christian.laforsch@uni-bayreuth.de

B. Trotter, A.F.R.M. Ramsperger, P. Raab, J. Haberstroh, C. Laforsch: Plastic waste interferes with chemical communication in aquatic ecosystems, in Scientific Reports (2019), DOI: https://doi.org/10.1038/s41598-019-41677-1

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Christian Wißler idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

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