Welche Gene unsere Intelligenz regeln

Ein Komplex aus vier SATB2 Proteinmolekülen bindet an die DNA und bestimmt dadurch ihre dreidimensionale Auffaltung. Foto: MUI/G. Dechant.

Die Gehirnleistung ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ein Grund für die individuellen Unterschiede liegt in den Genen. Bisher ist allerdings nur wenig über die genetischen Grundlagen der Intelligenz bekannt.

„Wir wissen, dass es nicht ein sogenanntes Intelligenzgen gibt, sondern dass viele Gene jeweils kleine Beiträge leisten“ erklärt Georg Dechant, Direktor der Gemeinsamen Einrichtung für Neurowissenschaften, an der die aktuelle Grundlagenarbeit entstanden ist.

Die Innsbrucker ForscherInnen haben eine Gruppe von Proteinen im Zellkern erkannt, die für die Regelung der kognitiven Fähigkeiten mitverantwortlich sein dürften. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Protein SATB2. Dieses bindet an die Erbsubstanz DNA und bestimmt deren dreidimensionale Auffaltung im Zellkern.

Menschen mit einer Mutation dieses Gens haben geistige Beeinträchtigungen sowie Lernbehinderungen. „Bisher war aber nicht bekannt, welche molekularen Mechanismen dafür verantwortlich sind“ präzisiert Autorin Galina Apostolova.

„Mit modernen biochemischen Methoden haben wir nun eine Gruppe von Proteinen bestimmen können, die mit SATB2 in Nervenzellen des Großhirns zusammenarbeiten. Ob diese Proteine maßgeblich für unsere Intelligenz sind wurde dann in so genannten genomweiten Assoziationsstudien in verschiedenen Gruppen menschlicher Individuen untersucht. Hierbei zeigte sich eindeutig, dass Varianten der entsprechenden Gene mit Unterschieden in menschlicher Intelligenz gekoppelt sind.“

Die Erkenntnisse aus Innsbruck wurden erst kürzlich im Wissenschaftsjournal „Plos Genetics“ veröffentlicht. Die gebürtige Bulgarin Galina Apostolova forscht seit 2003 in Innsbruck und ist mit Georg Dechant Letztautorin der Studie. Erstautorin ist Isabella Cera, die in Innsbruck soeben ihr PhD-Studium in Innsbruck abgeschlossen hat

Präzisionspsychiatrie: Intelligenz schwer beeinflussbar

Die grundlegende Forschungsarbeit trägt dazu bei, die höheren Gehirnfunktionen besser zu verstehen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass die genetischen Grundlagen der Intelligenz eines Menschen nur bedingt beeinflussbar sein werden. „Da so viele Gene involviert sind, erscheint es unmöglich, Intelligenz auf molekularer Ebene zu manipulieren“, sagt Georg Dechant.

„Unsere Erkenntnisse sind jedenfalls wichtig, für die Entwicklung von neuen Therapien für psychiatrische oder neurologische Erkrankungen bei denen häufig Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit beobachtet werden. Wir erwarten, dass unsere Ergebnisse über die Grundlagen von Intelligenz für die sogenannte molekulare Psychiatrie von Bedeutung sind. Je besser wir die Gehirnfunktionen verstehen, desto präziser können wir nach neuen psychiatrischen Therapien suchen.“

Neurowissenschaftliche Grundlagenforschung in Innsbruck

Bereits in vorangegangen Arbeiten haben Innsbrucker WissenschafterInnen zum Verständnis der zentralen Rolle von SATB2 beigetragen. Die Neurowissenschaften sind ein Forschungsschwerpunkt der Medizinischen Universität Innsbruck. Die SATB2 Forschung ist ein Thema des Spezialforschungsbereichs „Cell signaling in chronic CNS disorders“ (SFB F-44) und des PhD Exzellenzprogramms „Signal processing in neurons“ (SPIN). Im Bereich der molekularen und transnationalen Neurowissenschaften zählt Innsbruck zu einem der führenden Standorte in Österreich.

Univ.-Prof. Dr. Georg Dechant
Gemeinsame Einrichtung für Neurowissenschaften
Tel.: +43 512 9003 71250
Georg.Dechant@i-med.ac.at

https://journals.plos.org/plosgenetics/article?id=10.1371/journal.pgen.1007890

https://www.i-med.ac.at/pr/presse/2019/05.html [Pressebilder zum Herunterladen]

Media Contact

Barbara Hoffmann-Ammann idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Das Mikrobiom verändert sich dynamisch und begünstigt wichtige Funktionen für den Wirt

Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Kieler SFB 1182 untersucht am Beispiel von Fadenwürmern, welche Prozesse die Zusammensetzung des Mikrobioms in Wirtslebewesen steuern. Alle vielzelligen Lebewesen – von den einfachsten tierischen und…

Wasser im Boden – genaue Daten für Landwirtschaft und Klimaforschung

Die PTB präsentiert auf der Woche der Umwelt, wie sich die Bodenfeuchte mithilfe von Neutronenstrahlung messen lässt. Die Bodenfeuchte hat nicht nur Auswirkungen auf die Landwirtschaft, sondern ist als Teil…

Bioreaktor- und Kryotechnologien für bessere Wirkstofftests mit humanen Zellkulturen

Medizinische Wirkstoffforschung… Viele Neuentwicklungen von medizinischen Wirkstoffen scheitern, weil trotz erfolgreicher Labortests mit Zellkulturen starke Nebenwirkungen bei Probanden auftreten. Dies kann passieren, wenn zum Beispiel die verwendeten Zellen aus tierischem…

Partner & Förderer