Hepatitis-Therapie: Balance zwischen Abwehr und Regeneration durch Kupfferzellen

Dr. Theresa Frenz und Katharina Borst (v. l.) Foto: TWINCORE

„Bislang ist man davon ausgegangen, dass die Hepatitis-Viren selbst für die Zerstörung der Leberzellen verantwortlich sind“, sagt Katharina Borst, Wissenschaftlerin am Institut für Experimentelle Infektionsforschung. „Inzwischen wissen wir, dass auch lokale Entzündungsprozesse zur Schädigung der Leber beitragen.“

Und das ist brisant, denn wenn unser zentrales Stoffwechselorgan nicht durch die Viren selbst, sondern die Entzündung zerstört wird, verbietet es sich eigentlich, das entzündete Organ durch einen Entzündungstrigger wie Typ-I Interferon noch stärker in die Entzündung zu treiben.

„Andererseits ist bei akuter Hepatitis die klinische Behandlung mit Typ-I Interferon erfolgreich und schützt die Leber sichtbar vor weiteren Schäden“, wendet Dr. Theresa Frenz, ebenfalls vom Institut für Experimentelle Infektionsforschung, ein. Eine paradoxe Situation, die nach Klärung ruft.

Also haben sich die Translationsforscherinnen die Mechanismen, die hinter dem Einsatz von Typ-I Interferon stehen, genau angesehen. Um diese lokalen Immunantworten in der Leber zu verstehen, haben sie Kupfferzellen untersucht. Kupfferzellen sind Makrophagen, also Fresszellen des Immunsystems, die in der Leber sesshaft sind und sich nicht frei im Blut bewegen.

Die Wissenschaftlerinnen haben Lebern mit Vakzinia Virus infiziert, die entweder voll funktionsfähig waren oder kein Typ-I Interferon wahrnehmen konnten, oder nur auf ihren Kupfferzellen oder – in der letzten Variante – nur auf einem bestimmten Zelltyp, den Hepatozyten, kein Typ-I Interferon wahrnehmen können.

„Durch diese Versuchsreihe konnten wir sehen, dass die Typ-I Interferone für die Hepatozyten selbst unwichtig sind, denn wir haben keinen Unterschied zu völlig intakten Lebern gesehen“, sagt Katharina Borst. „Das ist verwunderlich, denn immerhin sind die Hepatozyten das Ziel der Virusinfektion.“

Allerdings scheint das Interferon sehr wichtig für die Kupfferzellen zu sein, sagt Theresa Frenz: „Unsere Vermutung ist, dass Interferon die Kupfferzellen veranlasst, die infizierten Zellen aufzunehmen und anschließend den eigenen Zelltod, die Apoptose, einzuleiten, denn überraschenderweise verschwinden die Kupfferzellen im Laufe der Infektion und die Entzündung der Leber geht zurück.“

Diese durch die Infektion verlorenen Kupfferzellen ersetzt das Immunsystem durch Makrophagen, die aus Knochenmarkszellen entstehen. Das sind zwar nicht mehr die ursprünglichen „echten“ Kupfferzellen, sie übernehmen dennoch die gleichen Aufgaben.

„Dieser Prozess wird interessanterweise beschleunigt, wenn die Zellen aus dem Knochenmark kein Typ-I Interferon wahrnehmen können“, sagt Katharina Borst. „Typ-I Interferone sind also offensichtlich sehr wichtig, um entzündliche Prozesse und deren Eindämmung zu regulieren.“

„Damit konnten wir belegen, dass die Therapie der akuten Virus-Hepatitis mit Typ-I Interferon sinnvoll ist, denn sie aktiviert offenbar die lokalen Immunzellen und hilft, die Viren zu eliminieren“, schließt Institutsleiter Prof. Ulrich Kalinke. „Allerdings müssen wir, um die Regeneration der entzündeten Leber optimal zu unterstützen, noch viel mehr über das Gleichgewicht zwischen Entzündungsförderung und -hemmung lernen. Nur so können neue Therapieansätze für akute Hepatitiden entwickelt werden.“

Publikation:

K. Borst, T. Frenz, J. Spanier, P. K. Tegtmeyer, C. Chhatbar, J. Skerra, L. Ghita, S. Namineni, S. Lienenklaus, M. Koster, M. Heikenwaelder, G. Sutter, U. Kalinke, Type I interferon receptor-signaling delays Kupffer cell replenishment during acute fulminant viral hepatitis. J Hepatol, (2017)

http://www.twincore.de/de/infothek/infothek-news-details/news/hepatitis-therapie…
http://www.twincore.de/de/institute/experimentelle-infektionsforschung/ag-experi…

Media Contact

Dr. Jo Schilling idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Biowissenschaften Chemie

Der innovations-report bietet im Bereich der "Life Sciences" Berichte und Artikel über Anwendungen und wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Biologie, der Chemie und der Humanmedizin.

Unter anderem finden Sie Wissenswertes aus den Teilbereichen: Bakteriologie, Biochemie, Bionik, Bioinformatik, Biophysik, Biotechnologie, Genetik, Geobotanik, Humanbiologie, Meeresbiologie, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Zellbiologie, Zoologie, Bioanorganische Chemie, Mikrochemie und Umweltchemie.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Wolken bedecken die Nachtseite des heißen Exoplaneten WASP-43b

Ein Forschungsteam, darunter Forschende des MPIA, hat mit Hilfe des Weltraumteleskops James Webb eine Temperaturkarte des heißen Gasriesen-Exoplaneten WASP-43b erstellt. Der nahe gelegene Mutterstern beleuchtet ständig eine Hälfte des Planeten…

Neuer Regulator des Essverhaltens identifiziert

Möglicher Ansatz zur Behandlung von Übergewicht… Die rapide ansteigende Zahl von Personen mit Übergewicht oder Adipositas stellt weltweit ein gravierendes medizinisches Problem dar. Neben dem sich verändernden Lebensstil der Menschen…

Maschinelles Lernen optimiert Experimente mit dem Hochleistungslaser

Ein Team von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL), des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT und der Extreme Light Infrastructure (ELI) hat gemeinsam ein Experiment zur Optimierung…

Partner & Förderer