Molekularer Mechanismus der anaeroben Ammoniumoxidation gefunden

Anammox-Kultur in einem Membran-Bioreaktor. Für die rote Färbung ist die Häm c-Gruppe verantwortlich, die in dem Protein Cytochrom c, das im Anammox-Stoffwechsel eine wichtige Rolle spielt, enthalten ist. Foto: Boran Kartal<br>

Derzeit schätzen die Wissenschaftler, dass etwa 50% des Stickstoffs in der Atmosphäre durch diesen Prozess gebildet wird. Eine Gruppe spezialisierter Bakterien führt die Anammox-Reaktion aus, aber lange tappten die Forscher im Dunklen wie diese Bakterien Ammonium zu Stickstoff unter Ausschluss von Sauerstoff umsetzen.

Nun, 25 Jahre nach ihrer Entdeckung, haben sie den molekularen Mechanismus von Anammox endlich entschlüsselt. Dr. Marc Strous, seit 2 Jahren am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen, ist einer der Projektleiter.

Anammox-Bakterien besitzen eine Organelle und sind dahingehend sehr ungewöhnlich, da Organellen gewöhnlich nur bei Eukaryonten vorkommen. In dieser speziellen Organelle, dem so genannten „Anamoxosom“, findet die Anammox-Reaktion statt. Die Membran des Anammoxosoms schützt die Zellen vermutlich vor den hochreaktiven Zwischenprodukten der Anammox-Reaktion. Diese Zwischenprodukte könnten Hydrazin und Hydroxylamin sein, wie Mikrobiologen vor vielen Jahren vorgeschlagen haben. Dies war eine sehr aufregende Möglichkeit, denn niemand hatte bisher zeigen können, dass Hydrazin, ein sehr starkes Reduktionsmittel, das auch als Raketentreibstoff verwendet wird, als Substrat in biologischen Systemen vorkommt. Diese frühen Experimente waren jedoch sehr einfach und konnten viele Fragen nicht beantworten.

Es war ein schwieriges Unterfangen, den Stoffwechselweg experimentell nachzuweisen. Der Projektleiter Marc Strous vom Max-Planck-Institut in Bremen sagt: „Die Anammox-Organismen sind schwierig zu kultivieren, denn sie teilen sich nur alle zwei Wochen. Deshalb mussten wir eine Technik entwickeln, die zur Kultivierung von so langsam wachsenden Mikroorganismen geeignet ist. Selbst nach 20jährigen Bemühungen können wir die Organismen nur in Bioreaktoren kultivieren und das auch nicht in Reinkultur.“ Für die Kultivierung der Anammox-Bakterien verwenden die Forscher die neueste Entwicklung auf dem Gebiet der Bioreaktortechnologie: einen Membran-Bioreaktor. In dieser Art Reaktor wachsen die Zellen in einer Suspension anstatt in Oberflächen-Biofilmen, und relativ wenige andere Organismen verunreinigen die Kultur. Dies war für die Aufreinigung von Proteinen günstig, die für den experimentellen Teil notwendig war, denn Proteine lassen sich wegen des Schleims, den die Biofilme bilden, nicht gut aus Biofilmen aufreinigen.

Um das Rätsel um den Anammox-Stoffwechselweg zu lösen, konnten die Forscher auf die Genom-Sequenz des bekanntesten Anammox-Bakteriums, Kuenenia stuttgartiensis, zurückgreifen. Dies half ihnen zu erkennen, welche Enzyme an der Reaktion beteiligt sein könnten. So konnten sie beispielsweise voraussagen, dass möglicherweise Stickoxid anstelle von Hydroxylamin das Vorgängermolekül von Hydrazin sei. Mit einer Reihe weiterer hochmoderner molekularbiologischer Methoden konnten die Wissenschaftler dem Anammox-Stoffwechselweg auf die Spur zu kommen und die Rolle von Hydrazin und Stickoxid endlich nachweisen.

„Wir haben einen großen Schritt getan, den Stickstoffkreislauf besser zu verstehen. Jetzt wissen wir endlich, aus was der Stickstoff in der Luft, die wir atmen, gebildet wird: Raketentreibstoff und Stickoxid!“ fasst Marc Strous die Studie zusammen. Die Entdeckung, dass Stickoxid sowohl bei Anammox als auch bei der Denitrifikation eine wichtige Rolle spielt, lässt die Entwicklung des Stickstoffkreislaufs in der Erdgeschichte in einem neuen Licht erscheinen. Marc Strous erklärt: „In der frühen Entwicklung der Erde hat sich Stickoxid durch vulkanische Aktivität in der Atmosphäre angesammelt. Stickoxid war also vermutlich einer der ersten Elektronenakzeptoren auf der Welt und hat dafür gesorgt, dass sich die mikrobiellen Stoffwechselwege Anammox und Denitrifikation entwickeln konnten.“

Media Contact

Dr. Manfred Schloesser Max-Planck-Institut

Weitere Informationen:

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