Biologische Computer zerstören Krebs

Ein Forscherteam an der ETH Zürich hat in Zusammenarbeit mit Kollegen vom MIT einen Weg gefunden, ein biologisches Computernetzwerk in menschliche Zellen einzubauen. Anhand von fünf Faktoren erkennt der Rechner aus RNA und Proteinen entartete Exemplare. Wenn der Detektor anschlägt, wird der normalerweise deaktivierte Selbstmordmechanismus der Krebszellen eingeschaltet. „Die Erfolgsrate liegt derzeit bei etwa 90 Prozent. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir eine perfekte Quote erreichen können“, sagt Projektleiter Yaakov Benenson im Gespräch mit pressetext.

Einfache Rechenoperationen

Die Forscher in Zürich arbeiten mit menschlichen Zellkulturen, die Gebärmutterhalskrebszellen enthalten. Die kranken Zellen unterscheiden sich durch ihren charakteristischen Mix von verschiedenen Arten von Mikro-Ribonukleinsäuren (miRNA) von ihren gesunden Nachbarn. Die Wissenschaftler haben dieses unverwechselbare Profil entdeckt und ein maßgeschneidertes Bio-Rechner-Netzwerk entwickelt, das es selbsttätig erkennt. Mithilfe von einfachen Rechenoperationen, wie sie auch in PCs ablaufen, findet das biologische Computernetzwerk eine genau vorgegebene Mischung aus fünf Arten von miRNA, die nur in den Gebärmutterhalskrebszellen vorkommt.

Bisher sind der Wissenschaft etwa 500 bis 1.000 verschiedene Arten von miRNA bekannt. Um die richtige Kombination zu erkennen, beinhaltet das Netzwerk der Zürcher Forscher fünf Schalter, die mit den logischen Operationen „AND“ oder „AND NOT“ verknüpft sind. Jeder Schalter löst nur bei der richtigen Konzentration „seiner“ miRNA aus. Wenn der einfache Schaltkreis ein positives Ergebnis liefert, wird die betreffende Zelle zerstört. „Es funktioniert wie eine Konsole mit Knöpfen. Nur wenn alle fünf Knöpfe gleichzeitig gedrückt werden, gibt es eine Reaktion“, sagt Benenson.

Die miRNA hat normalerweise die Aufgabe, fremde Messenger RNA anzugreifen. Das machen sich die Forscher zunutze. Das Detektorsystem wird von der miRNA angegriffen und teilweise zerstört, was eine Kettenreaktion auslöst, die die Schalter umlegt. In Versuchen an lebenden Zellkulturen funktioniert das System schon. Wird das biologische Computernetzwerk in die Kultur eingeschleust, sterben die Krebszellen ab, während die gesunden unbehelligt bleiben.

Großer Fortschritt

Das Netzwerk wird von den Zellen selbst hergestellt. Die Forscher schleusen DNA-Bausteine in die Zellkerne ein, was die Zelle dazu bringt, das Netzwerk, das zum Großteil aus RNA und Proteinen besteht, zu synthetisieren. Die eingeschleuste DNA wird dabei aber nicht Teil der Erbinformation der Zellen. „Unsere Methode soll als Therapie wirken und nicht permanent in den Zellen verbleiben. Nach verrichteter Arbeit werden sämtliche Bausteine unseres Systems von der Zelle zersetzt“, sagt Benenson. Theoretisch sollte sich die Methode durch Veränderung der Detektoren auch auf andere Krebsarten anwenden lassen.

Biologische Computer, die Krankheiten im Inneren von Zellen erkennen und sofort reagieren können, sind ein großer Traum der Wissenschaft. Die Experimente von Yaakov und seinen Kollegen sind ein erster Schritt in diese Richtung. Der Weg für eine klinische Anwendung ist aber noch weit. Es gibt noch Schwierigkeiten, die Gene des Computernetzwerks in die Zellen zu bekommen. Außerdem ist über die Risiken, die ein solcher Gen-Transfer mit sich bringt, noch wenig bekannt. Die Forscher in Zürich wollen ihre Methode in einem nächsten Schritt an einem geeigneten Tiermodell testen. „Ich hoffe, dass wir das in zwei bis drei Jahren angehen können“, sagt Benenson.

Media Contact

Markus Keßler pressetext.redaktion

Weitere Informationen:

http://www.ethz.ch http://web.mit.edu

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Interdisziplinäre Forschung

Aktuelle Meldungen und Entwicklungen aus fächer- und disziplinenübergreifender Forschung.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Mikrosystemforschung, Emotionsforschung, Zukunftsforschung und Stratosphärenforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Wolken bedecken die Nachtseite des heißen Exoplaneten WASP-43b

Ein Forschungsteam, darunter Forschende des MPIA, hat mit Hilfe des Weltraumteleskops James Webb eine Temperaturkarte des heißen Gasriesen-Exoplaneten WASP-43b erstellt. Der nahe gelegene Mutterstern beleuchtet ständig eine Hälfte des Planeten…

Neuer Regulator des Essverhaltens identifiziert

Möglicher Ansatz zur Behandlung von Übergewicht… Die rapide ansteigende Zahl von Personen mit Übergewicht oder Adipositas stellt weltweit ein gravierendes medizinisches Problem dar. Neben dem sich verändernden Lebensstil der Menschen…

Maschinelles Lernen optimiert Experimente mit dem Hochleistungslaser

Ein Team von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL), des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT und der Extreme Light Infrastructure (ELI) hat gemeinsam ein Experiment zur Optimierung…

Partner & Förderer