Wissenschaftler entdecken mikromolekularen Wirkstoff für die Behandlung von Entzündungserkrankungen

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der Unternehmen Bayer Schering Pharma AG und der mivenion GmbH wurden die anti-inflammatorischen Eigenschaften der neuen Wirkstoffklasse in der Zeitschrift PNAS veröffentlicht.

Der synthetische, makromolekulare Wirkstoff erkennt unterschiedliche Zielstrukturen und kann so zur Dämpfung der Entzündungsreaktion beitragen. Die Grundlagen zur Charakterisierung des Wirkstoffes wurden im Sonderforschungsbereich (SFB) 765 gelegt, der seit 2008 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird und an der Freien Universität angesiedelt ist. Nahziel des SFB 765 mit dem Titel: „Multivalenz als chemisches Organisations- und Wirkprinzip“ ist es, das grundlegende Verständnis von mehrfachen Wechselwirkungen zwischen großen Molekülen und lebenden Zellen zu erforschen. In einem Brückenprojekt zwischen den Disziplinen Chemie, Medizin und Biologie sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun einen Schritt weiter gegangen und der Vision zur Entwicklung neuartiger Medikamente und Materialen näher gekommen.

Bei dem in der Arbeitsgruppe von Professor Haag hergestellten dendritischen Polyglycerolsulfat (dPGS) handelt es sich um einen makromolekularen Wirkstoff, der auf seiner Oberfläche mehrere gleichartige Funktionalitäten präsentiert. Als Zielstrukturen dieses multivalenten Wirkstoffes wurden unterschiedliche Moleküle identifiziert, die das Auswandern von weißen Blutzellen (Leukozyten) in Entzündungsareale steuern. Als Resultat der Blockade dieser Proteine, wird das Auswandern der Blutzellen unterdrückt. Nachgewiesen wurde die anti-inflammatorische Aktivität von dPGS in zwei In-vivo-Modellen, also am lebenden Organismus.

Professor Haag erklärte, die Entzündungsreaktion des menschlichen Körpers sei an sich gut und notwendig, um Krankheitserreger zu bekämpfen und Gewebeschäden zu reparieren: „Anhaltende Entzündungsreize führen jedoch auch zu einer Zerstörung von intaktem Gewebe, die Auswirkungen ähneln denen von chronisch entzündlichen Erkrankungen. Dadurch, dass die Polyglycerolsulfate hier regulierend eingreifen, haben wir einen Wirkstoff in der Hand, der möglicherweise die immunologische Balance wieder herstellt und die Selbstheilung fördert“.

Trotz ihres großen therapeutischen Nutzens besitzen die herkömmlich in der Medizin eingesetzten Glucocorticoide und Biologica zur Behandlung von Entzündungen große Nachteile: Glucocorticoide zeigen häufig viele Nebenwirkungen, Biologica verursachen hohe Kosten und erkennen nur eine Zielstruktur in einem komplexen Netzwerk von Signalwegen, das bei der Entzündung eine Rolle spielt. Der synthetisch neue Wirkstoff dPGS hingegen wirkt in mehrfacher Hinsicht. Zudem ist er kostengünstig herzustellen und robust.

Die Wirkstoffklasse ist zum Patent angemeldet. Die Arbeitsgruppe arbeitet zurzeit an der Herstellung einer Prüfcharge, die den Richtlinien der Gesundheitsbehörden entspricht. Die Polyglycerolsulfate sollen dann die präklinische Entwicklung durchlaufen und in klinischen Studien erprobt werden.

Weitere Auskünfte erteilt Ihnen gern:
Prof. Dr. Rainer Haag, Institut für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-53358, E-Mail: haag@chemie.fu-berlin.de
Literatur:
Dernedde J, Rausch A, Weinhart M, Enders S, Tauber R, Licha K, Schirner M, Zügel U, von Bonin A, Haag R.: Dendritic polyglycerol sulfates as multivalent inhibitors of inflammation. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2010, 197, 19679.

Media Contact

Carsten Wette idw

Weitere Informationen:

http://www.fu-berlin.de

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