Beunruhigende Gesundheitssituation in der IT-Industrie – Umdenken gefordert

Noch gravierender ist die Lage in besonders sensiblen Bereichen: Dass sie sich „immer wieder an der Grenze ihrer Belastbarkeit erleben“ oder diese Grenze „in Form eines gesundheitlichen Zusammenbruchs“ sogar schon am eigenen Leib erfahren haben, geben über 50% der Befragten an.

Bei einem Transferworkshop des Projekts am 6. Oktober 2009 in München definierten Wissenschaftler gemeinsam mit Beratern, Unternehmen und Interessenvertretungen Handlungsfelder für eine nachhaltige Gesundheitsförderung.

Das Forschungs- und Gestaltungsprojekt „DIWA-IT – Gesund arbeiten, gesund bleiben in der IT-Wirtschaft“ traf sich am 6. Oktober 2009 zu seinem dritten Transferworkshop unter dem Motto „Gesundheitsförderung in der IT-Industrie – Erfolgreiche Konzepte und Instrumente für die Praxis“. Wissenschaftler aus dem Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung – ISF München präsentierten ihre Forschungsergebnisse zur neuen Belastungskonstellation in der IT-Industrie sowie die von ihnen erarbeiteten „Eckpfeiler für eine nachhaltige Gesundheitsförderung“.

An der Tagung beteiligten sich zudem Forscher aus dem IAQ (Universität Duisburg-Essen), Mitarbeiter aus dem Beratungsunternehmen „Moderne Arbeitszeiten“ sowie Vertreter von IT-Unternehmen, unter anderem von SAP, der Deutschen Telekom, Beiersdorf Shared Services und der evu.it GmbH.

In den letzten Jahren hat sich die Belastungssituation für Beschäftigte in der IT-Wirtschaft deutlich verschärft, wie Andreas Boes, Tobias Kämpf und Katrin Trinks vom ISF München herausarbeiteten. Eine grundlegend neue Belastungskonstellation ist entstanden, die durch zunehmende Leistungsverdichtung, die Paradoxien neuer Managementkonzepte, eine Veränderung der betrieblichen Sozialordnungen und eine generelle Zunahme von Unsicherheiten geprägt ist.

Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass fast die Hälfte der befragten Beschäftigten (49,5%) über starke oder sehr starke Belastung durch Zeitdruck und Arbeitsaufkommen klagt – im Vergleich zu knapp 30% aller hochqualifizierten Beschäftigten und gut 23% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland. Vor allem dort, wo alle vier Faktoren nahezu ungebremst auf die Beschäftigten einwirken und sich gegenseitig aufschaukeln, wirkt sich dies massiv auf die Gesundheit aus: In diesen Fällen berichten mehr als 50% der Befragten, dass sie sich immer wieder an der Grenze ihrer Belastbarkeit erleben oder diese Grenze schon in Form eines gesundheitlichen Zusammenbruchs am eigenen Leib erfahren haben.

Nach den Analysen der Wissenschaftler, die sich auf langjährige Forschungserfahrung in der IT-Industrie stützen können, handelt es sich hier nicht nur um eine kurzfristige Belastungsspitze, die man „aussitzen“ könnte. Damit die Leistungsträger der IT-Wirtschaft nicht „ausbrennen“, muss Gesundheitsförderung vom Randthema zu einem integralen Bestandteil der Unternehmenspolitik und der Organisationsentwicklung werden.

Fünf Handlungsfelder sind es vor allem, die die Forscher aus ihren Resultaten ableiten: ein kontinuierliches Monitoring der Gesundheitssituation; eine Kultur der Verbesserung der Arbeitsprozesse etablieren; zielgruppenorientierte Maßnahmen für die Führungskräfte, die besonders stark unter Belastung leiden und zugleich eine „Gatekeeper“-Funktion für Führungskultur und Gesundheitsförderung innehaben; eine Förderung der Ressource Teamkultur; und schließlich eine lebensphasensensible Personalentwicklung, die besonders die Bedürfnisse von Beschäftigten in der Familienphase sowie von älteren Beschäftigten berücksichtigt.

Das Projekt DIWA-IT wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds. Betreut wird es vom Projektträger im DLR, Förderschwerpunkt „Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz“. Es läuft bis zum Mai 2010. Weitere Informationen aus dem Projekt sind auf dessen Homepage zu finden.

Für Rückfragen und weiteres Material können Sie sich gern jederzeit wenden an:

Frank Seiß, Öffentlichkeitsarbeit am ISF München, Tel. 089/272921-78, Fax 089/272921-60, frank.seiss@isf-muenchen.de

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Frank Seiß idw

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