Neue Methoden der Medizin und ihre ethischen Implikationen

Mit einer Tagung über 'Neue Methoden der Medizin und ihre ethischen Implikationen' vom 15. bis 17. Oktober beginnt die Arbeit der Forschungsgruppe 'Herausforderungen für Menschenbild und Menschenwürde durch neuere Entwicklungen der Medizintechnik' im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld.

Unter der Leitung der Rechtswissenschaftler Jan C. Joerden (Frankfurt / Oder) und Eric Hilgendorf (Würzburg) sowie des Philosophen Felix Thiele (Bad Neuenahr-Ahrweiler) wird die Forschergruppe sich unter anderem mit den ethischen und rechtlichen Problemen der in-vitro-Fertilisation, der Präimplantationsdiagnostik, des reproduktiven und therapeutischen Klonens, der Transplantationsmedizin (einschließlich der Xenotransplantation), der Chimären- und Hybridbildung, der Tiefenhirnstimulation, des Enhancement und der Mensch-Maschine-Schnittstellen befassen. Der Schwerpunkt soll auf die möglichen Konsequenzen für eine sinnvolle Verwendung des Menschenwürdebegriffs und die Reichweite einer argumentativen Berufung auf ein bestimmtes Menschenbild gelegt werden. Die Eröffnungstagung dient der Ausarbeitung der maßgeblichen Fragestellungen bei unterschiedlichen Techniken der neueren Medizin.

Um es nur an einem Beispiel zu zeigen: Durch die vielfältigen Errungenschaften der modernen Transplantationsmedizin ist es möglich geworden, dass ein Mensch eine seiner beiden gesunden Nieren einem anderen Menschen zur Verfügung stellt, der zwei defekte Nieren hat und zum Überleben auf Dauer dringend eine Ersatzniere benötigt. Dabei scheint es nun dem Prinzip des Menschenwürdeschutzes zu widersprechen, wenn derjenige, der seine Niere abzugeben bereit ist, dafür ein 'Honorar' fordert und auch bekommt. Es scheint so zu sein, dass hier der Nierenspender zumindest seine eigene Menschenwürde verletzt, wenn er zu der Spende nur bereit ist, sofern er daran etwas verdienen kann. Dementsprechend ist in Deutschland auch der Organhandel gesetzlich (durch das Transplantationsgesetz) verboten, ja sogar für strafbar erklärt. Aber auch der Empfänger der Niere scheint sich menschenwürde-widrig zu verhalten, wenn er dem Spender ein Organ abkauft und dabei möglicherweise sogar dessen finanzielle Not ausnutzt, um selbst länger leben zu können. Andererseits ergibt sich folgendes Dilemma: Angenommen der 'Verkäufer' der Niere benötigt das Geld des 'Käufers' dringend zum Überleben (zum Beispiel weil er in einem Land der Dritten Welt lebt, in dem er ohne eine nennenswerte finanzielle Zuwendung auf absehbare Zeit verhungern würde) – und auch der 'Käufer' der Niere kann auf Dauer nicht ohne Niere weiter existieren. Dann bedeutet die konsequente Umsetzung des Organhandelsverbots für die beiden Personen den sicheren Tod. Kann es aber im Sinne eines ethisch nachvollziehbaren Prinzips des Menschenwürde-schutzes sein, dass in diesem Fall zwei Menschenleben diesem Prinzip geopfert werden? An-dererseits: Wäre es nicht auch menschenwürdewidrig, den Organhandel zuzulassen und dann zu einer fortgesetzten Ausbeutung der Dritten Welt beizutragen, indem man diese nach der Kolonialisierung und Ausbeutung im Hinblick auf Rohstoffe nun auch noch hinsichtlich ihrer Organe ausbeutet? Nach unbestätigten Berichten soll in manchem Drittweltstaat der Besitz eines Fahrrades schon heute ein Indiz für die zuvor erfolgte 'Spende' einer Niere sein.

Ähnliche Probleme mit den Begriffen der Menschenwürde und auch des Menschenbildes ergeben sich im Hinblick auf die meisten der oben genannten Bereiche der modernen Medizin, allerdings jeweils auch wiederum durchaus davon abhängig, welchen Bereich man näher betrachtet; deshalb wird zu untersuchen sein, welche inhaltliche Rolle hierbei die Begriffe der Menschenwürde und des Menschenbildes spielen und wie sie zu interpretieren sind, um zu sinnvollen ethischen Thesen zu gelangen, die dann auch unser Recht adäquat mitzubestimmen vermögen.

Tagungszeiten:
15. Oktober, 14.00 bis18.00 Uhr
16. Oktober, 9.30 bis 18.30 Uhr
17. Oktober, 9.30 bis 18.30 Uhr
Weitere Informationen im Internet:
www.uni-bielefeld.de/(de)/ZIF/AG/2009/10-15-Hilgendorf.html
Bei inhaltlichen Fragen wenden Sie sich bitte an :
Natalia Petrillo, Universität Bielefeld
Tel.: 0521 / 106-2787
E-Mail: natalia.petrillo@uni-bielefeld.de
Tagungsbüro des ZiF:
Marina Hoffmann
Tel.: 0521 / 106-2768, Fax: 0521 / 106-6024
E-Mail: marina.hoffmann@uni-bielefeld.de

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Torsten Schaletzke idw

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