Besserer Bypass durch Gentherapie?

Wie können Bypass-Operationen noch erfolgreicher werden? Fast die Hälfte der verpflanzten Venen, die den Blutfluss im Herz wieder herstellen sollen, ist nach zehn Jahren verschlossen. Eine gentherapeutische Vorbehandlung der Venenstücke könnte diese Gefahr bannen, da sie die Wanderung von Muskelzellen in die Gefäßwand stoppt. Für diese Erkenntnis hat eine Arbeitsgruppe um Privatdozent Dr. Klaus Kallenbach, Oberarzt in der Klinik für Herzchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg, den mit 5.000 Euro dotierten Robert-Stich- Preis für exzellente Forschung der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie erhalten.

Zur Umleitung des Blutflusses um verstopfte Arterien am Herzen oder in den Beinen werden den Patienten in Bypass-Operationen meist Ersatzstücke aus ihren eigenen Wadenvenen eingesetzt. Innerhalb dieser Venenabschnitte wandern jedoch nach der Operation häufig glatte Muskelzellen aus der mittleren Gefäßwand in die innere Gefäßwand ein, wo sie wachsen und sich vermehren. So entsteht eine neue Schicht der inneren Gefäßwand (Neointima), die den Innendurchmesser des implantierten Blutgefäßes verengt. Im Bypass kann Arteriosklerose entstehen.

Gen sorgt für eine langsamere Wanderung der Muskelzellen

Die Forschungsgruppe fand nun zunächst in Reagenzglasversuchen im Labor heraus, dass glatte Muskelzellen ein Zellkulturmodell der Gefäßwand viel langsamer durchwandern, wenn sie besonders große Mengen des Enzyms Matrix-Metalloproteinase-3 (MMP-3) herstellen. Dazu schleusten sie das Gen für diesen Wirkstoff mit Hilfe eines Virus in die Muskelzellen ein und stellten – im Vergleich zu einer Kontrollgruppe – eine bis zu 20mal geringere Beweglichkeit der genetisch veränderten Zellen fest.

Diesen Befund erhärteten Dr. Kallenbach und seine Mitarbeiter in Versuchen mit Kaninchen, die mit einer cholesterinreichen Kost gefüttert wurden. In einer Bypassperation wurde den Tieren ein Stück ihrer Halsvenen zur Umgehung ihrer Halsarterien eingesetzt. Venenstücke, die vor der Operation mit Hilfe der Vieren gentherapeutisch veränderten wurden und dadurch übermäßig viel MMP-3 herstellten, zeigten im weiteren Verlauf der Versuche eine deutlich verringerte Verdickung ihrer inneren Wand. Bei den Tieren, denen unbehandelte Venenstücke implantiert worden waren, hatten sich die Gefäßwände dagegen viel schneller verengt.

Enzym MMP-3 schützt die Gefäßwand

„Diese erstmals gewonnenen Ergebnisse sind überraschend“, sagt Klaus Kallenbach. „Denn bisher gilt das Enzym MMP-3 vor allem als Förderer des Umbaus und der Verdickung der Gefäßwände.“ Einer Machete vergleichbar, die einen Dschungel lichtet, bahnt das aggressive, proteinspaltende Enzym MMP-3 den glatten Muskelzellen nämlich normalerweise einen Weg durch das dichte Fasergestrüpp aus Kollagen und anderen Proteinen, von dem sie umgeben sind. „Hohe Konzentrationen von MMP-3 scheinen demgegenüber einen schützende Funktion für die Gefäße zu haben“, kommentiert Kallenbach seine preisgekrönte Arbeit. „Jetzt kommt es darauf an, den Mechanismus aufzuklären, mit dem die gentherapeutisch angeregte MMP-3-Überproduktion den langfristigen Erfolg von Bypassoperationen verbessern kann.“

Literatur:
Kallenbach K., Salcher R, Bog A, Geveke S, Mörike C, Heim A, Cebotari S, Haverich A. Reduction of Neointima Formation in Autologous Vein Grafts in vivo by Overexpression of Matrix Metalloproteinase-3 (Stromeylsin-1).Circulation 2006; Suppl. II, Vol.114,18:794

(Der Originalartikel kann bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden.)

Kontakt:
Priv. Doz. Dr. Klaus Kallenbach
Universitätsklinikum Heidelberg
Chirurgische Klinik, Klinik für Herzchirurgie
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