Praktische Geodäsie: Im internationalen Dialog auf dem Weg in die Interdisziplinarität

Das Fachgebiet „Praktische Geodäsie“ des Fachbereichs 10 Bauingenieurwesen der Universität Siegen hat einen entscheidenden Schritt in Richtung „Interdisziplinarität“ getan, und dies auf internationalem Parkett. So wurde kürzlich an der Universität Pisa das unter der Leitung von Frau Prof. Dr.-Ing. Monika Müller-Jarosch entwickelte „Historische Informationssystem Siegen HIS“ vorgestellt.

In Hinblick auf die Vorbereitung der im Herbst 2001 geplanten Ausstellung zu Otto dem Großen in Magdeburg und parallel dazu in Volterra haben sich Historiker, Archäologen und das Fachgebiet „Praktische Geodäsie“ zusammengefunden. Es bestand die Erfordernis, Raum- und Sachinformation in geeigneter Weise zusammenzutragen.
Das historische Informationssystem HIS bietet zunächst die Möglichkeit, fachspezifische Information in der Örtlichkeit darzustellen. Grundlage hierfür ist ein Modell des Geländes. In diesem können beliebige Objekte lagetreu eingebettet werden, so beispielsweise das Straßen- und Wegenetz, die aktuelle oder ehemalige Bebauung sowie identifizierte Bebauungsreste und archäologische Funde. Das 3-dimensionale Geländemodell löst die 2-dimensionale Karte ab. Ein Begehen der Szene ist auf dem PC von allen Seiten aus in beliebiger Perspektive frei möglich!
Die Stärke des in Siegen entwickelten Informationssystems liegt jedoch nicht alleine in der Darstellung, also der 3-dimensionalen Modellierung und Visualisierung des Geländes und der Objekte im Gelände. Die Tatsache, Raum- und Sachinformation im Zusammenhang nicht nur darzustellen sondern auch analysieren zu können, hat die italienischen Fachleute überzeugt. Die Datenbank für diese Sachinformation – unmittelbar mit der Rauminformation verknüpft – bietet erstmalig Einblicke in Zusammenhänge und Abhängigkeiten, die bislang unerkannt blieben.
Noch im Februar dieses Jahres war Tenor des Vortrages von Frau Prof. Müller-Jarosch „GIS als Werkzeug der Wasserwirtschaft“ im Rahmen eines Workshops zu „GIS-gestützten Anwendungen in der Wasserwirtschaft“: Wir haben die Lösung, uns fehlt das Problem! Das „Problem“ ist fachspezifisch je nach spezieller Fachrichtung zu formulieren . Die Methodik und Techniken zur Darstellung und Analyse raumabhängiger Informationen beliebiger Art stehen dann zur Verfügung. Im internationalen Dialog sind nun Fachleute verschiedenster Disziplinen zusammengekommen und haben praktisch den Weg aufgezeigt, wie spezifisches Fach-Know-How als Instrument an eine fremde Disziplin weitergereicht werden kann.
Für das Fachgebiet „Praktische Geodäsie“ der Universität Siegen ist dies ein weiterer logischer Entwicklungsschritt. „Vor fünf Jahren bin ich mit der festen Überzeugung nach Siegen gekommen, daß den Geoinformationssystemen die Zukunft gehört. Geoinformationssysteme sollten – fachrichtungsunabhängig – elementares Handwerkszeug zum Handling von Rauminformation werden“, so Frau Prof. Müller-Jarosch. Die Entwicklung hat diese Prognose fachbereichsübergreifend mehr als deutlich bestätigt. Der Raumaspekt ist zur integrierten Komponente der Informationstechnologie herangereift. „Wir werden erst dann aufhören, mit aller Dringlichkeit auf die Erfordernis von Geoinformationssystemen hinzuweisen, wenn der Einsatz eines GIS so selbstverständlich geworden ist wie die Verwendung eines Textverarbeitungsprogrammes, einer Tabellenkalkulation oder eines CAD-Programms“.
Seit bereits fünf Jahren hat sich das Fachgebiet „Praktische Geodäsie“ den Themenschwerpunkten „GPS und GIS“ – satellitengestützte Beobachtungsverfahren und Einsatz von Geoinformationssystemen – gewidmet. Zunächst gelang die Plazierung der Erstlizenz der marktführenden Geoinformationssysteme „ArcView“ und „ArcInfo“ der Firma ESRI im Fachgebiet „Praktische Geodäsie“. Dann erreichte Frau Prof. Müller-Jarosch es, die für die Lehre unabdingliche Campus-Lizenz im Rahmen eines Verbundes von 10 Universitäten in NRW nach Siegen zu holen. Jedem Studenten steht inzwischen in mehreren PC-Pools der freie Zugriff auf das Instrument „ArcView“ zur Verfügung.
Angeregt und angeleitet durch ein zweisemestriges Wahlpflichtfach „GPS und GIS“ von Frau Prof. Müller-Jarosch steht dem interessierten Studenten der Weg in die Welt der Geoinformationssysteme offen. Frei nach dem Motto „wer will, der kann …“ haben Siegener Studierende des Fachbereichs Bauingenieurwesen die Chance, erste Kontakte zu einem Informationssystem zu knüpfen, das interdisziplinär und international Türen öffnet.
Gleichfalls im Zentrum der Betrachtung steht der Einsatz – ebenfalls international und interdisziplinär – neuer und alternativer Technologien.
Stellvertretend für neue Technologien sei der Einsatz des weltweit jederzeit verfügbaren Globalen Positionierungssystems GPS zur örtlichen Punktbestimmung genannt. Bereits im Mai 2000 präsentierte Frau Prof. Müller-Jarosch im Rathaus von Volterra die Grundzüge der satellitengestützten Punktbestimmung.
Als Beispiel für alternative Technologien kann die Auswertung digitaler Bilder zur Vermessung von Fassaden angeführt werden. Grundlage dieses Verfahrens sind die Grundzüge der terrestrischen Photogrammetrie.
Die Berücksichtigung der aufgezeigten neuen Tendenzen hat zu einer komplett neuartigen Struktur der Vorlesung „Vermessung für Architekten“ geführt. Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse eines Architekten, für deren Umsetzung das Handwerkszeug eines Vermessers erforderlich ist. Typisches Beispiel ist die lokale Bestimmung von Passpunkten mit Hilfe moderner Totalstationen zur Entzerrung von Fassadenaufnahmen. Zielsetzung ist es auch hier, die Beschaffung von Datenmaterial zeitgemäß zu modernisieren und Informationssysteme geeignet aufzubauen und zu nutzen.

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M.A. Kordula Lindner-Jarchow idw

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