Ambulant betreute Wohngruppen als Ergänzung und Alternative zum traditionellen Pflegeheim notwendiger denn je

Demografische Entwicklung und Wohnbedürfnisse älterer Menschen drängen auf Veränderungen im Altenhilfesystem – Zunehmende Etablierung von ambulant betreuten Wohngruppen – Neue Arbeitshilfe erschienen

Auf den Bedarf dringend notwendiger struktureller Veränderungen im Altenhilfesystem und die damit verbundene Entwicklung alternativer Wohn- und Betreuungsangebote machen die Bertelsmann Stiftung und das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) auf ihrer heutigen gemeinsamen Pressekonferenz in Köln aufmerksam.

„Viele alte Menschen können sich nicht vorstellen, ihre letzten Lebensjahre in einem herkömmlichen Alten- und Pflegeheim zu verbringen. Sie suchen dringend nach anderen sicheren Versorgungsmöglichkeiten“, erklärt Klaus Großjohann, Geschäftsführer des KDA. Möglichkeiten, für die sich das KDA stark macht, sind Veränderungen der inneren Strukturen der Heime und als zusätzliches Versorgungsangebot ambulant betreute Wohngruppen.

Doch es sind nicht nur die Wohnbedürfnisse der Älteren selbst, die diese und weitere Alternativen erforderlich machen. Es sind auch die Erfordernisse, die sich aus der demografischen Entwicklung ergeben. „Bleibt es bei der bestehenden Struktur der Altenhilfe, werden bis zum Jahr 2050 nach unseren Berechnungen ca. 800.000 zusätzliche Pflegeplätze in Altenpflegeheimen mit einer enormen Gesamtinvestitionssumme nötig sein“, so Großjohann weiter. Hinzu kämen noch erhebliche Modernisierungskosten der bestehenden Heime, und die Notwendigkeit hoher Zuwächse bei den Personalaufwendungen. Die Pflege wäre auch nur sehr schwer zu finanzieren, wenn sie ausschließlich von professionellen Kräften geleistet würde. Vielmehr müssten die Bürgerinnen und Bürger einbezogen werden, was nur möglich ist, wenn Pflege in den Wohngebieten stattfindet.

Zunehmende Etablierung von ambulant betreuten Wohngruppen

Um auf diese Entwicklung angemessen zu reagieren und um den Ansprüchen und Bedürfnissen der älteren Menschen gerecht zu werden, hat das KDA gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung im Rahmen des Projekts „Leben und Wohnen im Alter“ Möglichkeiten neuer Wohnformen für Menschen mit Betreuungs- und Pflegebedarf untersucht. „Ambulant betreute Wohngruppen, die sich aus dem „normalen“ Wohnen heraus entwickelt haben, kommen dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung, Privatheit und Sicherheit vieler älterer Menschen entgegen. In diesen Gruppen leben etwa sechs bis acht, höchstens aber zwölf Hilfe- und Pflegebedürftige in einem gemeinsamen Haushalt zusammen und werden dabei in ihrem Alltag von Betreuungskräften unterstützt; notwendige Pflegeleistungen werden von ambulanten Diensten erbracht“, erklärt Holger Stolarz, KDA-Projektbearbeiter von „Leben und Wohnen im Alter“ das Konzept. „Somit sind sie keine Kleinstheime und ihre Bewohnerinnen und Bewohner haben auch nicht den Status von Heimbewohnern, sondern von Mietern, für die je nach Bedarf entsprechende Pflegeleistungen erbracht werden. „Nicht die Pflegekräfte, sondern die Bewohnerinnen und Bewohner und deren Angehörige sind hier der ’Herr im Haus’, ergänzt Ursula Kremer-Preiß, ebenfalls „Leben und Wohnen im Alter“-Projektbearbeiterin des KDA. Zwar gebe es gegenwärtig in Deutschland erst 200 bis 250 solcher Wohngruppen, doch würden sie sich aufgrund der großen Nachfrage von Interessierten zunehmend etablieren und somit den Status eines exotischen Modellprojekts verlieren.

„Damit sind wir in der Altenhilfe auf dem richtigen Weg“, so Birgit Ottensmeier, Projektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung. „Denn während sich bei einem Pflegeplatz in einem herkömmlichen Heim allein die Investitionskosten auf etwa 80.000 Euro pro Platz belaufen, nutzt man hier vor allem den vorhandenen Wohnungsbestand.“ Trotz der „Normalität“ dieser Wohnform bedarf es nach KDA-Erfahrungen bei der Umsetzung und Etablierung aber enormen Erfahrungswissens und klarer Konzepte für die Qualitätssicherung, was bei vielen interessierten Initiatoren aber nicht immer vorausgesetzt werden kann. „Häufig sind es kleinere Vereine, ambulante Dienste, Angehörigeninitiativen oder Wohnungsbaugesellschaften, die ein solches Wohnprojekt initiieren wollen“, sagt Ursula Kremer-Preiß. „Die Initiatoren müssen über miet-, arbeits- und sozialrechtliche Kenntnisse verfügen und zudem in der Lage sein, eine kostendeckende Kalkulation zu erstellen.“

Neue Arbeitshilfe erschienen

Aus diesem Grund haben KDA und Bertelsmann Stiftung eine von der Altenhilfe-Praxis schon lange erwartete Arbeitshilfe für Initiatoren von ambulant betreuten Wohngruppen entwickelt und herausgegeben. Nach Angaben der Herausgeber handelt es sich dabei um die erste umfassende Orientierungshilfe, die das vorhandene Erfahrungswissen bündelt und konkrete Angaben zu Mindestanforderungen an die Gestaltung der Wohnung und die Organisation der Betreuung enthält. „Damit ist ein weiterer Schritt getan, um diese zukunftsorientierte Wohnform für Menschen mit Betreuungs- und Pflegebedarf weiter zu verbreiten“, so Holger Stolarz.

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Klaus Großjohann idw

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