Nord- und Ostsee werden wärmer

Anchovis, Meerbarbe, vereinzelt sogar Schwertfisch – diese typischen Arten aus dem Mittelmeer oder dem Golf von Biskaya finden sich immer häufiger in den Netzen von Ostseefischern. Zufall oder Folge einer Erwärmung der Ostsee? lautet die Frage.

Für eine Antwort analysierten Forscher vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und von der Technischen Universität Dänemarks (DTU) in Kopenhagen, Temperaturdaten aus 140 Jahren. Insgesamt vier Messreihen dokumentieren Temperaturen an der Wasseroberfläche in vier küstennahen Gebieten der Nord- und Ostsee: vor den Niederlanden (Marsdiep), vor Norwegen (Torungen) und Dänemark (Skagen in der Nordsee und Christiansoe in der Ostsee). Die Daten sind von 1861 beziehungsweise von 1880 an täglich von Feuerschiffen unter definierten Bedingungen erhoben worden.

„In der Fachwelt wusste man, dass solche belastbaren Langzeitdaten existieren“, sagt Dr. Doris Schiedek vom IOW, „doch bis auf die holländische Messreihe hat sie noch niemand unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Klimawandels ausgewertet.“ Gemeinsam mit ihrem Kollegen aus Kopenhagen, Prof. Dr. Brian MacKenzie publizierte die Biologin Dr. Schiedek diese Erkenntnisse im Fachblatt „Global Change Biology“, Heft 13 (2007).

Was erbrachte die Analyse der Daten? Sie offenbaren zum einen, dass bereits in den vergangenen Jahrzehnten Klimaschwankungen aufgetreten sind, mit einer warmen Periode um 1940-50. Seit Mitte der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts ist jedoch ein Anstieg der Wassertemperaturen, vor allem in den Sommermonaten, festzustellen, der nach Auskunft von Schiedek alles übertreffe, was bisher gemessen wurde. „In der Zeit von 1985 bis 2000 ist der Mittelwert der Wassertemperatur in den Monaten Juli bis September um insgesamt 1,4 Grad gestiegen.“ Damit ist der Anstieg dreimal so hoch wie die vom UNO-Klimabericht prognostizierte globale Erwärmungsrate von 0,03 Grad pro Jahr.

Dr. Schiedek: „Auch der UNO-Klimarat hat darauf hingewiesen, dass Europa sich schneller erwärmt als die Erde als Gesamtheit und dass sich der Temperaturanstieg in den letzten 12 Jahren beschleunigte. Unsere Ergebnisse korrespondieren also mit diesen Einschätzungen.“ Die Auswertungen der Langzeitdaten aus Nord- und Ostsee zeigten nach den Worten von Dr. Schiedek neben dem ausgeprägten Temperaturanstieg, auch die Zunahme extrem warmer Sommer und ebenso extrem milder Winter.

Was bedeutet die Erwärmung für das Leben in der Ostsee? Ein Anstieg der mittleren Wassertemperatur von 1,4 Grad im Sommer mutet zunächst nicht sehr dramatisch an, sagt Doris Schiedek. Doch viele Lebewesen seien nun einmal an kältere Temperaturen angepasst. Mit dem Temperaturanstieg kämen diese Arten an ihre Anpassungsgrenze. Eine Rolle spielen zudem der geringe Salzgehalt der Ostsee und nach wie vor auch der Eintrag von Schadstoffen. Bei einem weiteren Temperaturanstieg – der Weltklimarat prognostiziert ihn für die nächsten 100 Jahre mit bis zu sechs Grad – rechnen Biologen mit einer deutlich veränderten Artenzusammensetzung in der Ostsee. Dafür spreche nach Auskunft von Dr. Schiedek schon jetzt die Zunahme von Fischen aus wärmeren Gefilden im Fang.

Kontakt: Dr. Doris Schiedek, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde email: doris.schiedek@io-warnemuende.de

Media Contact

Dr. Barbara Hentzsch idw

Weitere Informationen:

http://www.io-warnemuende.de

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