Atemberaubendes Gestein – Studierende haben Bohrprojekt in Russland besucht

Mit einer Gruppe von zehn Studierenden und seiner Doktorandin Marlene Reuschel hat er ein wissenschaftliches Bohrprojekt am Onega-See im Nordwesten Russlands besucht. „Da kommen Gesteinsbrocken zutage, die sehen unscheinbar aus, geben uns aber einen einzigartigen Einblick in die Erdgeschichte“, so Prof. Strauß, der zu den Initiatoren des Bohrprojekts gehört.

Die zehntägige Exkursion hat die Gruppe über St. Petersburg an den Onega-See geführt. Dort und auf der Kola-Halbinsel finden von Mai bis November 2007 Bohrungen im Rahmen des Projekts „Far-Deep“ des „International Continental Scientific Drilling Program“ (ICDP) statt, bei dem zwei bis 2,6 Milliarden Jahre altes Gestein in Bohrkernen ans Tageslicht befördert und später wissenschaftlich genau untersucht wird. „In dieser Epoche gab es rund 15 global bedeutsame Ereignisse – geologische, geochemische und klimatische Veränderungen. Unter anderem wurde Sauerstoff in der Atmosphäre verfügbar“, so Prof. Strauß. Er schwärmt: „Das Besondere an diesem Teil Russlands ist, dass hier die Gesteine aus diesem frühen Erdzeitalter erhalten geblieben sind; sie spiegeln die Ereignisse nahezu lückenlos wieder.“

Prof. Strauß beschreibt: „Insgesamt haben die Bohrteams in 15 Bohrungen rund 4000 Meter Gestein aus den Tiefen geholt.“ Die tiefste Bohrung erreicht etwa 500 Meter unter der Erdoberfläche. Besonders interessieren sich die Wissenschaftler für die Übergänge zwischen unterschiedlichen Gesteinsschichten in den Bohrkernen – diese Wechsel spiegeln Änderungen der Bedingungen auf der Erde wider. „Zwar sind die einzelnen Ereignisse bereits bekannt, wir wissen aber noch nicht, wie sie zusammenhängen, was also Ursache und was Wirkung ist“, so Prof. Strauß. Die Forscher wollen in den russischen Gesteinen Antworten hierauf finden.

„Ein internationales Bohrereignis live zu erleben, war für die Studierenden etwas Besonderes“, erinnert sich Prof. Strauß an die Stimmung in Russland und betrachtet Fotos von der Tour. Darauf sind Studierende zu erkennen, die im derzeitigen „Basislager“, einem 80 Jahre alten Blockhaus, bei belegten Broten auf den Aufbruch zum Bohrloch warten. In dem Basislager wohnen Wissenschaftler und das finnische Bohrteam, das rund um die Uhr in zwei Schichten bohrt. Andere Fotos zeigen eine Art Bauwagen auf einem Waldweg. Darin befindet sich, aus Sicherheitsgründen abgeschirmt, das Bohrgestänge. Vor dem Bauwagen liegen in langen schmalen Holzkisten Stücke des Bohrkerns.

„Der Bohrkern wird jeweils unmittelbar, wenn er aus dem Bohrloch kommt, eindeutig markiert, damit später ganz klar ist, welche Stücke zusammengehören und wo oben und unten ist“, so Prof. Strauß. „Anschließend fertigen die Wissenschaftler eine erste Beschreibung des Gesteins an.“ Marlene Reuschel erklärt: „Bei der Erstbeschreibung durften unsere Studierenden die Geologen vor Ort unterstützen und ihre Kenntnisse aus dem Studium unter Beweis stellen.“ Nach der ersten Untersuchung werden die Kisten verschlossen aufbewahrt, bis sie zur weiteren Bearbeitung nach Trondheim in Norwegen verschifft werden.

Die Region um den Onega-See ist aus geologischer Sicht besonders interessant – nicht nur in den Tiefen des Gesteins. Die münsterschen Studierenden haben zahlreiche geologischen Besonderheiten mit Prof. Strauß und dem Leiter des Far-Deep-Projekts, Prof. Dr. Viktor Melezhik vom Norwegischen Geologischen Dienst (NGU), in verschiedenen Tagestouren während der zehntägigen Exkursion besucht. „Besonders interessant war für uns das aus Erdöl entstandene Shungit-Gestein, das einmalig in dieser Region vorkommt“, so Prof. Strauß. Auch einige der Orte, an denen die Far-Deep-Bohrungen bereits abgeschlossen sind, hat die Gruppe besichtigt. Marlene Reuschel erinnert sich: „Gesehen haben wir dabei nahezu nichts: Die Bohrungen hinterlassen in der Regel nur ein handtellergroßes Loch, das nach einigen Wochen zugewachsen ist.“ Das Projekt soll die Umwelt nicht beeinträchtigen – „auch diesen Aspekt versuchen wir den Studierenden nahezubringen“, so Prof. Strauß.

Zurück in Münster ist die Arbeit mit den Bohrkernen für die Studierenden vorbei, für die an dem Projekt beteiligten Wissenschaftler fängt sie jedoch erst an: In Trondheim sollen die Bohrkerne längs in zwei Hälften gespalten werden. Die eine Hälfte bleibt jeweils beim NGU im Archiv. Der Rest des Materials wird an Arbeitsgruppen auf der ganzen Welt verteilt und dort geologisch und geochemisch untersucht. Ein Teil geht auch nach Münster. Prof. Strauß, dessen Arbeit durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt wird, schätzt: „Das Material aus Russland wird mich und meine Arbeitsgruppe für die nächsten fünf bis zehn Jahre beschäftigen.“

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