Mit Schallwellen den Untergrund durchleuchten

Wenn Charlotte Krawczyk mit Schallwellen Störungen sucht, ist nicht etwa eine skeptisch betrachtete Wünschelrutengängerin am Werk. Die Geophysik-Professorin der Technischen Universität Berlin „durchleuchtet“ vielmehr mit den Methoden ihrer Disziplin das Erdinnere auf seine Strukturen, sucht nach Grundwasser oder Stellen, an denen sich Erdwärme am besten gewinnen lässt. Aufsehen aber erregt die Frau nicht nur mit ihrem hervorragenden Ruf unter Fachkollegen, sondern auch auf Grund ihrer Stelle: Zum ersten Mal sitzt eine Deutsche auf einem Lehrstuhl für Geophysik. Diese Wissenschaft ist nämlich nach wie vor eine Domäne der Männer, selbst der Anteil weiblicher Studierender ist verschwindend gering.

Mit Schallwellen hat die 42-Jährige bereits am GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam gearbeitet: Vibriert eine große Platte auf dem Erdboden ein wenig auf und ab, entstehen Schallwellen im Untergrund. Diese Wellen breiten sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in den Materialien des Erdinnern aus, in Sandstein erreichen sie nur fünf Kilometer in der Sekunde, während die Schallwellen in Fels mit sechs bis acht Kilometern pro Sekunde vorankommen. Mit vielen Empfängern messen die Forscher nun, wie lange es dauert, bis ein Echo der ursprünglichen Schallwellen zurückkommt. Aus der Laufzeit können sie dann ermitteln, wie der Untergrund aussieht.

Wie sich Gebirge, Vulkane und Erdbeben entwickeln

Mit diesen Methoden hat Charlotte Krawczyk am GFZ zum Beispiel das Erdinnere unter den chilenischen Anden „durchleuchtet“. Das war Grundlagenforschung, aus der Seismiker lernen, wie Erdplatten aufeinanderprallen, dabei Gebirge in die Höhe drücken, Vulkane ausbrechen lassen und Erdbeben erzeugen. Charlotte Krawczyk aber wollte ihre Methoden auch in der angewandten Forschung einsetzen und nahm daher im Sommer 2007 einen Ruf an das Leibniz-Institut für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben (GGA) in Hannover an. Und da Leibniz-Professoren immer auch an Universitäten lehren, ist die Seismikerin nun auch Lehrstuhlinhaberin für „Geophysik mit Schwerpunkt Seismik“ an der TU Berlin.

Studierende der TU Berlin kommen seither immer wieder auch nach Hannover, um die Methoden ihrer Professorin in der Praxis anzuwenden. Hat Charlotte Krawczyk am GFZ mit Schallwellen noch Strukturen in Tiefen von vielen Kilometern unter der Erdoberfläche untersucht, wendet die 26-köpfige GGA-Gruppe die gleichen Methoden jetzt auf die ersten paar hundert Meter an. Dazu entwickeln die Forscher auch eigene Spezialgeräte.

Lassen die Geophysiker die Platte beim Erzeugen von Schallwellen nicht nur auf und ab, sondern auch seitlich vibrieren, entsteht ein anderer Wellentyp, den Physiker als „Scherwellen“ bezeichnen. Beim Auswerten von Scherwellen aber entsteht nicht nur ein besonders feines Bild vom Untergrund, sondern auch ein ganz anderes: Scherwellen breiten sich in Flüssigkeiten nicht aus. So können die Forscher aus dem Verhältnis zwischen unterschiedlichen Wellentypen auch auf den Fluidgehalt im Untergrund schließen. Unter dem Begriff „Fluid“ fassen Geophysiker Flüssigkeiten und deren Mischungen mit Gesteinen und Gasen, sowie Schmelzen zusammen.

Damit aber lassen sich nicht nur Grundwasservorräte oder geeignete Stellen für Erdwärmegewinnung aufspüren. Charlotte Krawczyk plant mit dieser Methode auch, „Störungen“ im Untergrund zu untersuchen. An solchen Störungen haben sich Schichten im Erdinneren gegeneinander verschoben – die Gruppe beobachtet so praktisch Bewegungen im Erdinnern. tui/kn

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Prof. Dr. Charlotte Krawczyk, Technische Universität Berlin, Fachgebiet Geophysikalisches Processing / Schwerpunkt Seismik, Tel.: 030 / 314-72631 oder 0511/ 643-3518, E-Mail: lotte@gga-hannover.de

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Dr. Kristina R. Zerges idw

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