Klimakapriolen der Eiszeit ausgelöst durch stochastische Resonanz?

Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) konnten anhand von Computersimulationen zeigen, dass stochastische Resonanz vermutlich eine auslösende Rolle bei der Berg- und Talfahrt des Klimas während der letzten großen Eiszeit gespielt hat. Dies veröffentlichen die beiden Forscher Andrey Ganopolski und Stefan Rahmstorf am 21. Januar 2002 in Physical Review Letters.

Während der letzten großen Eiszeit, die vor 120.000 Jahren begann und vor 10.000 Jahren endete, gab es mindestens zwanzig abrupte und drastische Klimawechsel. Diese sogenannten D/O-Events oder Dansgaard-Oeschger Ereignisse starteten mit einem plötzlichen Temperaturanstieg von 6 bis 10 Grad Celsius innerhalb von nur ungefähr zehn Jahren. Die Warmphasen hielten dann für Jahrhunderte an. Dies ist vor allem in den nördlichen Klimaarchiven der Erde dokumentiert, den grönländischen Eisbohrkernen und den Tiefseeablagerungen des Atlantiks. Aber auch in anderen Teilen der Welt waren die Auswirkungen spürbar.

Eine Erklärung für die D/O-Events zu finden, ist seit ihrer Entdeckung in den 1980er Jahren eine der großen Herausforderungen für die Klimatologen. Einen Anhaltspunkt gibt dabei die Regelmäßigkeit dieser Ereignisse: Sie treten meist alle 1500 Jahre auf, manchmal aber auch nur alle 3000 oder 4500 Jahre. Ein geheimnisvoller Taktgeber scheint einen Zyklus von 1500 Jahren vorzugeben, doch ab und zu setzt ein Schlag aus. Physiker sind mit einem Mechanismus vertraut, der dieses Phänomen erklären könnte: die stochastische Resonanz. Sie wird erzeugt, wenn drei Voraussetzungen gleichzeitig eintreten: Ein periodischer Taktgeber (in diesem Fall von 1500 Jahren), „Rauschen“, das heißt in diesem Fall zufällige Schwankungen im Wetter, sowie einen Schwellenwert, an dem das System von einem Zustand in einen anderen springen kann.

Andrey Ganopolski und Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung haben mit einem ausgeklügelten Computermodell des Weltklimas nun zum ersten Mal gezeigt, auf welche Weise stochastische Resonanz die D/O-Ereignisse erzeugt haben könnte.

Mit einer Reihe von Computersimulationen konnten die Forscher bereits im letzten Jahr (Nature, 11.1.2001) die räumliche und zeitliche Ausdehnung der D/O-Events und ihren Zusammenhang mit den herrschenden Strömungsverhältnissen im Atlantik nachvollziehen. Demnach schnellten die Temperaturen innerhalb der letzten Eiszeit immer dann in die Höhe, wenn der warme Golfstrom über Island hinaus bis ins Europäische Nordmeer vordrang. Um das Strömungssystem in diesen Zustand zu bringen, reichten kleinste Störungen aus. Das System befand sich damals offenbar dicht an der Schwelle, wo es von seinem kalten Grundzustand in einen warmen kippen konnte – die D/O-Events traten ein. Da dieser warme Strömungszustand aber instabil war, gingen die Warmphasen nach einigen Jahrhunderten von selbst vorüber.

Nun zeigten die Forscher, dass stochastische Resonanz unter den Bedingungen der letzten Eiszeit ein Auslöser für die D/O-Events gewesen sein kann und erklären damit viele ihrer eigenartigen Merkmale. Was zunächst nach einer exotischen Idee von Physikern klingt, könnte also für einige der dramatischten Klimaveränderungen der Erdgeschichte verantwortlich sein. Mit dem Ende der Eiszeit stabilisierten sich die Meeresströmungen und unter den stabilen Klimabedingungen des Holozäns konnte sich die menschliche Zivilisation entfalten.

Während das Modell der Forscher zeigt, dass man für die D/O-Ereignisse nur einen äußerst schwachen 1500-Jahreszyklus braucht, bleibt doch ein Rätsel übrig: Was ist der Ursprung dieses Zyklus? Viele Wissenschaftler setzen hier auf Schwankungen in der Strahlungsintensität der Sonne.

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