Ein Marsjahr unterwegs mit Mainzer Spektrometern

Blick zurück vom Gipfel der Columbia-Hügel mit den Aufstiegsspuren des Mars-Rovers Spirit © NASA / JPL

Das hätte keiner gedacht. Da baut man zwei Instrumente für die Doppelmission zum Mars, testet sie auf Herz und Nieren und hofft, dass sie drei Monate funktionieren. Jetzt sind fast zwei irdische Jahre vorbei und die beiden Alpha-Röntgen-Spektrometer (APXS) arbeiten immer noch wie am ersten Tag. Manchmal reiben sich die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie die Augen, ob sie nicht träumen: ein ganzes Marsjahr (687 Tage) ist vergangen und es gibt immer noch neue, wissenschaftlich hochinteressante Entdeckungen. Aufgrund der aufschlussreichen APXS-Daten über die chemische Zusammensetzung des Roten Planeten hat die NASA beschlossen, das Gerät auch bei der nächsten Rovermission 2009 wieder mit auf die Reise zu nehmen.

Mitte 2003 wurden die beiden Spektrometer mit je einem Erkundungs-Rover, Spirit und Opportunity, zum Mars geschickt. Beide Rover und alle Instrumente an Bord überlebten die starken Vibrationen beim Start der Raketen. Etwa sieben Monate später im Januar 2004 erfolgten die holprigen Landungen auf dem Mars. Mehr als zwanzig Mal hüpften die Landegeräte, die von riesigen Airbags umgeben waren, auf der Marsoberfläche hoch und nieder bis sie schließlich zur Ruhe kamen. Großes Aufatmen bei allen beteiligten Technikern und Wissenschaftlern. Jetzt konnte es losgehen auf dem Mars!

Die Handteller großen Alpha-Röntgen-Spektrometer wurden in der Abteilung Kosmochmie des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz unter der Leitung von Dr. Rudolf Rieder gebaut. Die Geräte mussten viele Tests über sich ergehen lassen, bevor die NASA-Techniker des Jet Propulsion Laboratory in Kalifornien sie für die große Reise akzeptierten.

Wissenschaftler hatten viele Jahre lang die Marsoberfläche mit Bildern aus dem Orbit studiert, um zwei Landestellen zu finden, die Hinweise auf ehemalige Aktivitäten von Wasser geben sollten. Die Rover sind für diese Aufgabe wie Feldgeologen ausgerüstet: mehrere Stereo-Kameras (USA), eine Mikroskop-Kamera (USA), ein APXS zur Bestimmung der chemischen Zusammensetzung (Max-Planck-Institut für Chemie), ein Mössbauer-Spektrometer zur Identifizierung eisenhaltiger Minerale (Johannes Gutenberg-Universität Mainz), und ein Gesteinsschleifer (USA). Erst das Zusammenspiel der verschiedenen Instrumente erlaubte eine eingehende Erforschung der unbekannten Marsoberfläche.

Der Rover Spirit war im großen Gusev-Krater gelandet (Durchmesser 130 Kilometer). Genau auf der anderen Seite des Mars, in der Ebene Meridiani, war der Rover Opportunity in einem ganz kleinen Krater zur Ruhe gekommen (Durchmesser nur 20 Meter). Jedoch entpuppte sich dieses „Golfloch“ als ein Glücksfall. Genau vor der Nase, sprich dem Instrumentenarm des Rovers lag helles, anstehendes Gestein. Schon die ersten Messungen mit dem Alpha-Röntgen-Spektrometer zeigten, das hier keine „normalen“ Steine vorlagen – man hatte nur einfache Basalte erwartet – sondern ein Material, das aus einer Mischung von Schwefelsalzen in hoher Konzentration und Mars-Staub besteht. Der Gesteinsschleifer enthüllte, dass das Material relativ fest ist. Die Bilder zeigten viele Schichtungen. Es handelt sich also um ein richtiges Sediment, das durch Ablagerung in Wasser entstanden ist. Rover Opportunity entdeckte auf seiner zweijährigen Reise noch viele Hinweise auf ehemaliges Wasser, das jedoch seit langer Zeit verschwunden ist. Heute ist die Marsoberfläche knochentrocken und wegen der sehr dünnen Atmosphäre auch nicht imstande, flüssiges Wasser zu halten, denn es verdunstet sofort – nur auf den sehr kalten Marspolen gibt es Wassereis. Doch der Nachweis war erbracht, dass einst, vor vielen hundert Millionen oder gar ein, zwei Milliarden Jahren, Wasser vorhanden war. Meridiani war also früher ein Land der vielen Seen oder eines kleinen Ozeans gewesen. Wann genau Wasser auf dem Mars geflossen ist und ob sich darin Leben entwickelt haben könnte, ist noch unbekannt. Dies soll mit den nächsten Mars-Missionen, etwa dem MSL-Rover 2009, näher untersucht werden.

Auf der anderen Seite des Mars hatte Rover Spirit anfangs Probleme, Spuren von Wasser zu finden. Obwohl ein großes Flusstal in den Krater-Gusev mündet, ist die Landestelle jetzt eine typisch trockene Marswüste: rotbrauner Staub und verstreute Gesteinsbrocken. Eine chemische Analyse der Steine mit dem Alpha-Röntgen-Spektrometer ergab erstaunlicherweise eine basaltische Zusammensetzung. Einzig die unerwartete Entdeckung des APXS, dass in einem der Steine eine hohe Konzentration des Elements Brom vorliegt, deutete auf die Einwirkung von Feuchtigkeit hin, weil Bromsalze in Wasser sehr leicht löslich sind. Da weitere Anzeichen für Wasser in der Umgebung fehlten, beschloss das NASA-Wissenschaftsteam, den Rover in Richtung einer Hügelkette zu steuern, die immerhin mehr als zwei Kilometer entfernt lag. Beide Rover einschließlich ihrer Instrumente waren nach sechs Monaten immer noch in extrem guter Form, und so bestand berechtigte Hoffnung, dass Spirit eine lange Reise gut überstehen würde. Die Hügelkette hat er schon Mitte letzten Jahres mühelos erreicht und mehr als sechs Kilometer zurückgelegt, obwohl er nur für eine maximale Fahrtstrecke von eineinhalb Kilometern konstruiert worden war.

In den Hügeln, die zur Erinnerung an das verunglückte Space Shuttle „Columbia Hills“ getauft wurden, entdeckte Spirit Steine, die total anders sind als alle vorher auf dem Mars gefundenen, einschließlich der Sedimente von Meridiani. Ihr hoher Anteil an flüchtigen Elementen wie Schwefel und Chlor lässt darauf schließen, dass einst Asche von einem nahe liegenden Vulkan in den Gusev-Krater herunter regnete. Heute ragen die Columbia Hills über die Gusev-Ebene auf, doch früher waren sie mit Wasser in Kontakt, vielleicht eingetaucht in einem einst gefüllten Kratersee. Die chemische und mineralogische Zusammensetzung der Steine sowie sulfatreiche Staubschichten in einem Graben deuten darauf hin, dass hier einst Wasser mit vulkanischer Asche reagiert hat.

Immer wieder sind die Daten des APXS für Überraschungen gut. Kürzlich wurde an drei verschiedenen Stellen in den Columbia Hills ein helles, zerklüftetes Grundgestein mit außergewöhnlich niedrigen Eisen- und hohen Aluminium-Konzentrationen entdeckt. Die Eisengehalte sind zwei- bis dreimal niedriger im Vergleich zu allen anderen Gesteinen auf dem Mars und den vom Mars stammenden Meteoriten. Der Hauptbestandteil dieser neu entdeckten Sedimente könnte ein aluminiumreiches Tonmineral sein, das durch Einwirkung von säurehaltigem Wasser auf vulkanische Asche entstehen kann.

Weitere Informationen erhalten sie von:

Dr. Johannes Brückner
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Tel.: 06131-305294
E-Mail: brueckner@mpch-mainz.mpg.de

Gerlind Dreibus
Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz
Tel.: 06131-305395
E-Mail: dreibus@mpch-mainz.mpg.de

Media Contact

Dr. Wolfgang Huisl idw

Weitere Informationen:

http://www.mpch-mainz.mpg.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Geowissenschaften

Die Geowissenschaften befassen sich grundlegend mit der Erde und spielen eine tragende Rolle für die Energieversorgung wie die allg. Rohstoffversorgung.

Zu den Geowissenschaften gesellen sich Fächer wie Geologie, Geographie, Geoinformatik, Paläontologie, Mineralogie, Petrographie, Kristallographie, Geophysik, Geodäsie, Glaziologie, Kartographie, Photogrammetrie, Meteorologie und Seismologie, Frühwarnsysteme, Erdbebenforschung und Polarforschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Der Klang der idealen Beschichtung

Fraunhofer IWS transferiert mit »LAwave« lasergestützte Schallanalyse von Oberflächen in industrielle Praxis. Schallwellen können auf Oberflächen Eigenschaften verraten. Parameter wie Beschichtungsqualität oder Oberflächengüte von Bauteilen lassen sich mit Laser und…

Individuelle Silizium-Chips

… aus Sachsen zur Materialcharakterisierung für gedruckte Elektronik. Substrate für organische Feldeffekttransistoren (OFET) zur Entwicklung von High-Tech-Materialien. Wie leistungsfähig sind neue Materialien? Führt eine Änderung der Eigenschaften zu einer besseren…

Zusätzliche Belastung bei Knochenmarkkrebs

Wie sich Übergewicht und Bewegung auf die Knochengesundheit beim Multiplen Myelom auswirken. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert ein Forschungsprojekt der Universitätsmedizin Würzburg zur Auswirkung von Fettleibigkeit und mechanischer Belastung auf…

Partner & Förderer