Neue Auswertung von Satellitendaten zur Verbesserung der Wettervorhersage

Dicke Wolken über England und Finnland. Die rote Farbe markiert besonders mächtige Wolkensysteme mit höherer Regenwahrscheinlichkeit. Wie hier am 16. Mai 2003, berechnen die FU-Wissenschaftler jeden Tag die Wolkendicke aus den Satellitenbildern.

Weltraumwissenschaftler schauen in die Wolken.

Forscher von der Freien Universität Berlin entlocken den Wolken weitere Geheimnisse und veröffentlichen sie jetzt „live“ im Internet. So stehen sie den Wetterdiensten sofort zur Verfügung. Sehen Wolken für unbefangene Beobachter einfach nur weiß oder schwarz aus, berechnen Prof. Dr. Jürgen Fischer, Dr. Lothar Schüller und Dipl.-Met. Peter Albert aus Satellitendaten, was im Innern der Wolke vor sich geht. Mit den berechneten Größen, wie der Tröpfchenanzahl, der Tröpfchengröße und der Wolkendicke, können Wetterdienste nun entscheiden, ob das Weiß auf dem Bild Nebel ist, ob es nieselt, oder ob es sich „nur“ um Wolken handelt. Die Forscher versprechen sich von den neuen Informationen eine Verbesserung der Wettervorhersage und ein besseres Verständnis der Wolkenphysik. Damit kann auch ein Klima-Effekt studiert werden, der dem Treibhauseffekt entgegenwirkt. „Ob eine Wolke die Atmosphäre erwärmt oder abkühlt hängt unter anderem von der Anzahl der Tröpfchen ab“, erklärt Lothar Schüller. „Der Mensch beeinflusst über Luftverschmutzung, wie viele Tropfen sich bilden, wie groß sie sind und hat darüber Einfluss auf die Erwärmung oder Abkühlung der Atmosphäre.“

Dicke Wolken über England und Finnland. Die rote Farbe markiert besonders mächtige Wolkensysteme mit höherer Regenwahrscheinlichkeit. Wie hier am 16. Mai 2003, berechnen die FU-Wissenschaftler jeden Tag die Wolkendicke aus den Satellitenbildern.

Peter Albert und Lothar Schüller bei der Arbeit. Die beiden FU-Wissenschaftler bieten Wetterdiensten mehr Informationen aus Satellitenbildern. (Foto: Kathrin Wapler)
Jeden Tag überfliegt der amerikanische Forschungssatellit „Terra“ Europa. Das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) und die Dundee Sattelite Receiving Station in Schottland empfangen die Daten und übermitteln sie den Berliner Forschern. Nur zwei Stunden später haben Lothar Schüller und Peter Albert aus der Forschungsgruppe um Jürgen Fischer ihre Produkte fertig. Jeder Wetterexperte kann im Internet ihre Karten auf den Internetseiten des Instituts für Weltraumwissenschaften abrufen. „Bisher werden die neuen Satellitendaten sehr wenig zur Wettervorhersage genutzt“, sagt Peter Albert. „Dem wollen wir abhelfen.“ Das ist Teil des Forschungsprojekts Cloudmap II, an dem europaweit etliche Universitäten und Institute beteiligt sind. Jürgen Fischer arbeitet deshalb eng mit dem niederländischen Wetterdienst KNMI und dem schwedischen Wetterdienst SMHI zusammen.

Wenn diesen Sommer der neue europäische Wettersatellit MSG (Meteosat Second Generation) seinen Regelbetrieb aufnimmt, werden die schnellen Verfahren von Lothar Schüller und Peter Albert voll zum Zuge kommen. Denn MSG wird alle 15 Minuten Aufnahmen zur Erde funken. Damit die Methoden funktionieren, muss das Strahlungsmessgerät des neuen Satelliten die richtige Information liefern. Daran hat Jürgen Fischer in der Planungsphase, die sich über zwölf Jahre zog, maßgeblich mitgewirkt.

Früher waren die Bilder der Wettersatelliten hauptsächlich schwarz-weiß. Heute fotografieren die Satelliten bereits in bis zu 36 verschiedenen Farben. Etliche der Farben können wir nicht sehen. Sie liegen in Lichtbereichen wie Infrarot oder Ultraviolett, in denen das menschliche Auge unempfindlich ist. „Man will aber nicht unbedingt die Farben oder die Intensität der gemessenen Strahlung haben, sondern konkrete meteorologische Größen – also die Informationen, die für Klimaforschung und Wettervorhersage von Belang sind“, erläutert Lothar Schüller. Aus den Satellitenmessungen verwertbare Informationen zu machen, das ist das Ziel der Forscher vom Institut für Weltraumwissenschaften.

Manche Wolkeneigenschaften lassen sich nicht aus der unmittelbaren Interpretation der Satellitenbilder gewinnen. Sind beispielsweise die Wolken zu dick, sieht der Satellit nicht weit genug in die Wolken hinein und kann deshalb nur die Situation im oberen Teil der Wolke erfassen. Die Forscher müssen deshalb Annahmen machen und Modelle entwickeln, um auf die relevanten meteorologischen Größen schließen zu können. Dafür hat sich Lothar Schüller mit Kollegen aus Frankreich einen Trick ausgedacht. Er benutzt für sein Modell ein einfaches geophysikalisches Prinzip: Tröpfchen werden immer größer, je weiter oben sie sich in einer Wolke befinden. Mit dieser Annahme, die bei dünnen, tiefen Wolken meistens zutrifft, ist er in der Lage, Angaben über die Menge und Größe von Tröpfchen und über die Dicke der Wolke zu machen.

Mit einem anderen Verfahren bestimmen die Forscher den Wasserdampfgehalt in der unbewölkten Atmosphäre. Je nach Farbe kann das Licht besser oder schlechter durch Wasserdampf dringen. Deshalb messen Satellitensensoren bei verschiedenen Farben verschiedene Intensitäten. „Wenn man die ins Verhältnis setzt, hat man Information über den Gesamtwasserdampf, also über die Feuchtigkeit in der Atmosphäre“, erklärt Peter Albert. Das hilft, um Wolkenbildung zu untersuchen und vorher zu sagen.

Bei komplexen Methoden wie diesen können sich die Forscher nicht auf die reine Theorie verlassen. Deshalb sind Meteorologen mit einem Forschungsflugzeug in die Wolken geflogen und haben ihr Modell überprüft. Das Ergebnis: Das Modell stimmt, und die Vorhersagen für Tröpfchengröße, Tröpfchenanzahl und Wasserdampfgehalt sind richtig. In weiteren Testreihen werden jetzt die Computer der Wetterdienste mit den neuen aus den Satellitendaten berechneten Größen konfrontiert. Bei den Wetterdiensten werden viele Messgrößen berechnet, auch wenn sie den Passanten auf der Straße so wenig interessieren wie beispielsweise der Luftdruck. Doch auch so praktisch relevante Vorhersagen wie Temperatur und Regenwahrscheinlichkeit werden umso präziser, je mehr Messgrößen ein Computer als Vorwissen für die Vorhersage nutzen kann. Deshalb arbeiten viele Forscher an der Entwicklung neuer Messgrößen. Ob die Berücksichtigung von Wolkendicke, Tröpfchenanzahl und Wasserdampfgehalt die Vorhersage tatsächlich verbessert, werden die Testreihen zeigen.

In Zukunft aber werden die Forscher ihre Methoden auch benutzen, um zusammen mit einer Arbeitsgruppe von der Columbia Universität in New York die Klimaentwicklung zu untersuchen. Umweltverschmutzung bringt kleine Dreckteilchen in die Atmosphäre. An diesen Teilchen kann Wasserdampf kondensieren, so dass sich Wolken bilden. Solche veränderte Wolken können mehr Sonnenstrahlung in den Weltraum reflektieren. Sind die Tröpfchen kleiner und leichter, halten sie sich außerdem umso länger in der Luft, und es regnet seltener. Wenn das stimmt, dann führt Umweltverschmutzung zu mehr Wolken und zu einer Abkühlung der Erde, da durch die Wolken weniger Sonnenlicht bis zur Erdoberfläche durchdringt. Die neuen Methoden der Forscher vom Institut für Weltraumwissenschaften bieten sich geradezu an, solche Effekte zu untersuchen und mitzuhelfen, bessere Prognosen über unser zukünftiges Klima zu erhalten.

Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:

Prof. Dr. Jürgen Fischer
Tel.: 030 – 838-56663
E-Mail: fischer@zedat.fu-berlin.de

Dr. Lothar Schüller
Tel.: 030 – 838-71140
E-Mail: lothar.schueller@wew.fu-berlin.de

Dipl.-Met. Peter Albert
Tel.: 030 – 838-52751
E-Mail: peter.albert@wew.fu-berlin.de

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Michael Fuhs idw

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