Kleinstlebewesen und Pollen sind Klimazeugen

Gelber Fluss vom Huanghe Yuantou aus fotografiert

Wie hat sich das Klima in den vergangenen 15.000 Jahren in Tibet gewandelt? Dieser Frage gehen zwei Berliner Paläontologen nach, die im März 2003 zu einem Geländeaufenthalt im nordöstlichen Tibet aufbrechen und den großen Südwasser-See Zaling-Hu und einen ganz in der Nähe gelegenen Salzwasser-See untersuchen.Die Art der Zusammensetzung von Seegemeinschaften, insbesondere die viele tausend Jahre alten Seeablagerungen, erlauben wichtige Rückschlüsse auf die Klimaveränderungen der vergangenen Jahrtausende.

Warum interessieren sich Ulrike Herzschuh und Steffen Mischke innerhalb des an der Freien Universität Berlin (FU) angesiedelten Interdisziplinären Zentrums „Ökosystemdynamik in Zentralasien“ besonders für paläoklimatische Fragestellungen in Nordost-Tibet? Die für die beiden Wissenschaftler interessante Region liegt im Grenzbereich zwischen den zwei Windsystemen Sommermonsoon und Westwindzirkulation, die sich im Verlauf der vergangenen 15.000 Jahre verschoben haben. Klimaarchive haben jede auch noch so leichte Veränderung gespeichert und sind deshalb heute wichtige Indizien für den sich vollzogenen Klimawandel. „Daher lohnt es sich, besonders viel Aufwand in die Gewinnung von ökologischen Informationen dieser Region zu investieren“, sagt Ulrike Herzschuh.

Zu diesem Zweck diente bereits ein früherer Geländeaufenthalt im August 2002 im über 4000 Meter hohen Quellgebiet des Gelben Flusses, den die FU-Geowissenschaftler gemeinsam mit Kollegen der Universität Lanzhou durchführten. „Die Nächte ertrugen wir bei rauhen klimatischen Verhältnissen in Zelten. Dafür wurden wir aber tagsüber immer wieder durch die landschaftliche Einzigartigkeit der vielen klaren, in alpinen Grasfluren gelegenen Seen entschädigt“, erzählt Steffen Mischke.

Es waren hauptsächlich die vielen Seen, für die sich Mischke und seine Kollegin Herzschuh interessierten, da sie in ihrer Größe, Tiefe und Salinität sehr unterschiedlich waren. „Wobei es manchmal viel spannender war, die ausgewählten Gewässer mit Jeep und Lastwagen fernab der Pisten zu erreichen“, sagt Herzschuh. „Wir befuhren insgesamt über fünfzig Seen per Schlauchboot oder durchwateten sie im Gummianzug, um einerseits Gewässermorphometrie mit Hilfe von GPS und Echolot zu bestimmen und um andererseits Sediment- und Wasserproben für spätere Analysen zu entnehmen.“ In den Sedimentproben wird die Zusammensetzung der Muschelkrebs- und Zuckmückenlarvengemeinschaften sowie des aus der umgebenden Vegetation eingetragenen Pollens bestimmt.

Die jeweiligen Artenspektren und ihre zugehörigen klimatischen und limnologischen Daten dienen der Erarbeitung einer Transferfunktion, mit Hilfe derer Paläolebensgemeinschaften aus verschiedenen Horizonten eines Bohrkerns zur quantitativen Rekonstruktion limnologischer Parameter (wie z.B. Salinität, Nährstoffgehalt) und klimatischer Parameter (z.B. mittlere Julitemperatur, Jahresniederschlag) herangezogen werden können. „Neben der Untersuchung der Seen hatte die Exkursion daher auch das Ziel, eine geeignete Lokalität für eine im März 2003 geplante Bohrkampagne zu finden“, so die beiden Wissenschaftler. Ausgewählt wurden der im Durchmesser etwa 25 Kilometer große Süßwasser-See Zaling-Hu und ein ganz in der Nähe gelegener kleiner Salzwasser-See. Von der vergleichenden paläoökologischen Auswertung der Sedimente erhoffen sich die Wissenschaftler eine quantitativ präzise Interpretation des Klimawandels in den letzten rund 15.000 Jahren.

Weitere Informationen erteilen:
Dr. Steffen Mischke und Ulrike Herzschuh
Institut für Paläontologie der Freien Universität Berlin
Malteserstr. 74-100, Haus D, 12249 Berlin
Tel.: 030 – 838-70278
E-Mail: smischke@web.de

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