Designer-Protein unterdrückt krebsauslösende Signalgebung des Botenstoffs Interleukin-6 bei Mäusen

Molekularer Kontakt zwischen gp 130 (grün) und Interleukin-6 (magenta), der wichtig ist für die zelluläre Aktivierung von Zielzellen. <br>Copyright: CAU Kiel <br>

An der Kieler Universität wurde ein Protein geschaffen, das bei Mäusen gegen Darmkrebs vorbeugt.

Einer Forschergruppe um den Kieler Biochemiker Professor Stefan Rose-John und Professor Markus F. Neurath, Universitätsklinikum Mainz, gelang jetzt der Nachweis, dass das Protein die krebsauslösende Signalgebung des Botenstoffs Interleukin-6 (IL-6) unterdrückt. Die neuen Ergebnisse resultieren auf Eingriffen in die TGF-ß Signalübertragung auf der Körperzelle und werden in der renommierten amerikanischen Fachzeitschrift „Immunity“ (Ausgabe vom 20. Oktober) beschrieben. Die Kieler Firma „Conaris“ wird den neuen Stoff zu einem anwendungsfähigen Medikament entwickeln.

Zur Forschung

Bereits 2003 konnten Stefan Rose-John und Markus F. Neurath im Tiermodell belegen, dass das von Rose-John geschaffene, lösliche Glycoprotein (sgp 130 Fc) chronische Entzündungen wie Gelenkrheuma (Arthritis) sowie Darmentzündung verhindert, indem es das Signal des Botenstoffs IL-6 auf der Zelloberfläche „abschaltet“.

Da das Zytokin Interleukin-6 eine wichtige Rolle in der Immunabwehr spielt und im Organismus benötigt wird, sollte man diesen Botenstoff nicht völlig blockieren. Es wurde vielmehr ein Mechanismus benötigt, der nur in bestimmten Fällen, nämlich beim Auslösen chronischer Entzündungen, hemmend wirkt und so das ebenfalls von Rose-John entdeckte „trans-signaling“ verhindert. Die entscheidende Entwicklung lag in der Veränderung des Zytokinrezeptors gp 130. Das neue, von Rose-John erfundene sgp 130 Fc hemmt nur die Botentätigkeit von IL-6 in den gewünschten Fällen.

Bereits 2001 war es Rose-John gelungen, die Architektur des Zytokinrezeptorkomplexes zu entschlüsseln. Das in der Zeitschrift „Science“ am 16. März 2001 vorgestellte Ergebnis war bereits damals als „Meilenstein in der Erforschung des Immunsystems bezeichnet worden“.

Der biomedizinische und molekularbiologische Bereich ist an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel besonders profiliert. Die vorgestellte Arbeit entstand im Zusammenhang mit dem Sonderforschungsbereich (SFB) 415 „Spezifität und Pathophysiologie von Signaltransduktionswegen“, in dem Mediziner und Biologen schon über Jahre erfolgreich zusammenarbeiten. Entzündliche Prozesse im weitesten Sinn werden in vielen Kieler Gruppen erforscht. Gerade die interdisziplinäre Struktur der CAU bietet gute Voraussetzungen für die Beantwortung derart komplexer Fragestellungen. Auch der 2002 eingerichtete Sonderforschungsbereich 617 „Molekulare Mechanismen der epithelialen Abwehr“ widmet sich entzündlichen Vorgängen.

Zur Anwendung

In weiteren fünf bis acht Jahren planen Rose-John und Professor Stefan Schreiber, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, das Designer-Protein sgp 130 Fc zur Marktreife zu bringen. Die 2001 gemeinsam gegründete Firma „Conaris“ widmet sich der Produktentwicklung.

Die neusten Ergebnisse belegen gleichzeitig ein weiteres Mal, welch wichtige Rolle Entzündungsvorgänge zur Erforschung und Behandlung von Krankheiten spielen. „Langfristig wird man auch Alzheimer und Herzinfarkt als Entzündungsvorgänge entschlüsseln können“, so Rose-John. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir dort ähnliche Mechanismen finden und auf ähnliche Weise vorbeugend arbeiten können. Wir haben nun eine klare Spur, wie wir Störungen des Immunsystems beeinflussen können.“

Für Medikamente, die nun von Conaris zu entwickeln sind, bietet sich damit ein Milliardenmarkt. „Wir wollen jedoch hier keinen Börsen-Hype betreiben“, so die beiden Professoren und Firmenchefs. Gesundes wirtschaftliches Wachstum entstehe in diesem Markt nur durch gründliche Forschung. Was den Patienten am besten diene, werde sich langfristig auch am besten wirtschaftlich behaupten.

„Diese Verzahnung von Grundlagenforschung und Anwendung bringt eine ganz neue Qualität des wissenschaftlichen Arbeitens“, so Stefan Schreiber. „Sie resultiert in Kiel auch aus dem hervorragend funktionierenden kollegialen Miteinander.“

Literatur:
Atreya R, Mudter J, Finotto S, Müllberg J, Jostock T, Wirtz S, Schütz M, Bartsch B, Holtmann M, Becker C, Czaja J, Schlaak JF, Lehr HA, Autschbach F, Schürmann G, Nishimoto N, Yoshizaki K, Ito H, Kishimoto T, Galle PR, Rose-John S, and Neurath MF (2000) Blockade of IL-6 trans-signaling abrogates established experimental colitis in mice by suppression of T cell resistance against apoptosis. Nature Med. 6: 583-588

Chow D-C, He X-L, Snow AL, Rose-John S, and Garcia KC (2001) Structure of an extracellular gp130 cytokine receptor signaling complex. Science 291: 2150-2155

Nowell MA, Richards PJ, Horiuchi S, Yamamoto N, Rose-John S, Topley N, Williams AS, Jones SA (2003) Soluble IL-6 Receptor Governs IL-6 Activity in Experimental Arthritis: Blockade of Arthritis Severity by Soluble Glycoprotein 130. J. Immunol. 171: 3202-3209.

Rose-John S and Neurath M (2004) IL-6 trans-signaling: The heat is on. Immunity 20: 2-4

Becker C, Fantini MC, Schramm C, Lehr HA, Nikolaev A, Wirtz S, Burg S, Strand S, Kiesslich R, Huber S, Ito H, Nishimoto N, Yoshizaki K, Kishimoto T, Galle PR, Blessing M, Rose-John S, Neurath MF (2004) TGF-ß suppresses tumor progression in colon cancer by inhibition of IL-6 trans-signaling. Immunity, in press

Kontakte:

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Biochemie
Prof. Dr. Stefan Rose-John
Tel. 0431/880-3336
e-mail: rosejohn@biochem.uni-kiel.de

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Klinik für Innere Medizin
Prof. Dr. Stefan Schreiber
Tel. 0431/597-2350
e-mail: s.schreiber@mucosa.de

Conaris Research Institute AG
Dr. Dirk Seegert
Tel. 0431/5606 821
e-mail: d.seegert@conaris.de

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Susanne Schuck idw

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