"Wildretter" schützt Rehkitze und Hasen: Sensoren helfen Landwirten

Glück gehabt: Ein Rehkitz kann dank des "Wildretters" rechtzeitig geortet und so vor der Mähmaschine in Sicherheit gebracht werden.

Die jährliche Todesrate von bis zu 500.000 wildlebenden Tieren in Deutschland – darunter allein 90.000 Rehkitze -, die nach Schätzungen von Jägern durch landwirtschaftliche Mähmaschinen umkommen, kann vielleicht schon bald deutlich verringert werden. Die oberpfälzische Firma ISA Industrieelektronik (Weiden) hat in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) einen „Wildretter“ entwickelt, der diese Unfälle in Zukunft vermeidbar machen könnte. Er versetzt mit Infrarot- und Mikrowellen-Sensoren Landwirte erstmals in die Lage, in Wiesen und Feldern verborgene Tiere zu entdecken, die dann nicht mehr durch Maschinen verletzt oder getötet werden. Damit leistet die von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 95.000 Euro geförderte innovative Technik einen Beitrag zum Tierschutz, der seit 2002 im Grundgesetz verankert ist. DBU-Generalsekretär Dr. Fritz Brickwedde: „Nur mit Technik können wir die Aufgabe lösen, moderne Landwirtschaft und Tierschutz zu vereinbaren.“

Eigentlich müsste jede Wiese vor der Bearbeitung genau inspiziert werden, so Brickwedde. Doch welcher Landwirt habe schon Zeit, vor dem Mähen nach Rehkitzen, jungen Hasen und Füchsen oder Bodenbrütern wie Fasane und Rebhühner zu suchen? Dr. Volker Tank vom Institut für Optoelektronik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (Oberpfaffenhofen) hatte die Idee, einen „Tier-Detektor“ zu entwickeln. Eine Anleihe bei der Raumfahrttechnik habe schließlich den entscheidenden Schritt nach vorn gebracht: Gemeinsam mit Kollegen modifizierte und vereinfachte Tank eine Technik, die auch verwendet wird, um von Satelliten aus Wärmebilder von der Erde aufzunehmen. Wärme- oder Infrarotstrahlung sei wie das gewöhnliche Licht elektromagnetische Strahlung, besitze aber längere Wellenlängen und sei deshalb für das Auge unsichtbar.

Tanks fingerkuppengroßer Infrarot-Sensor macht die Körperwärme von Tieren „sichtbar“, indem er auf ihre natürliche elektromagnetische Wärmestrahlung reagiert und ein Warnsignal abgibt. Maximal 16 Infrarot-Sensoren sitzen im Abstand von 50 bis 60 Zentimetern an einem Fahrzeug-Ausleger und suchen jeweils den Geländestreifen ab, der als nächster gemäht wird. Ist ein Tier aufgespürt, ertönt ein Signal und die Steuereinheit zeigt, welcher Sensor reagiert hat, so dass der Landwirt genau erkennen kann, wo sich das Tier versteckt.

Während in Zusammenarbeit mit der Firma ISA Industrieelektronik die ersten Prototypen gebaut wurden, habe sich herausgestellt, dass die Infraroterkennung ihre Tücken habe. „Auch von der Sonne erwärmte Steine wurden von den Sensoren gemeldet“, berichtet Dr. Roland Nitsche von der Firma ISA. „Das war für die Bauern frustrierend, die ihre Arbeit umsonst unterbrochen hatten. Wir brauchten eine weitergehende Technik, um blinde Alarme zu vermeiden.“ Die Experten begannen, gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Hochfrequenztechnik der Technischen Universität (TU) München Sensoren zu testen, die schwache Mikrowellen aussenden und auf Wasser reagieren – also auch auf den hohen Wasseranteil von Tierkörpern. „Durch die Kombination der Werte Körperwärme und Flüssigkeitsgehalt lässt sich ein Tier zuverlässig identifizieren“, erklärt Tank.

Entsprechend groß sei das Interesse aus Landwirtschaft, Jagd und Naturschutz an dem System. „Am Ziel sind wir aber noch nicht“, sagt Nitsche selbstkritisch. „Wir sind auf der Suche nach kostengünstigen Mikrowellenkomponenten, um das System zur Marktreife zu entwickeln.“ Nach Ansicht von DBU-Fachreferent Dr. Holger Wurl sind die wichtigen Grundlagen gelegt, um das Sensor-System zu einer Standardeinrichtung werden zu lassen: „Damit werden die Bauern in Zukunft auch wirtschaftlich entlastet, denn Gras, das mit verletzten oder toten Tieren in Berührung kommt, wird als Viehfutter unbrauchbar.“

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