Stufenloser Schalter, Fühlhilfe fürs Handy: Saar-Forscher machen Folie zum feinfühlenden Bauteil

Mit dieser Apparatur zeigen die Ingenieure Paul Motzki (l.) und Philipp Linnebach (r.) die neue Technologie auf der Hannover Messe: Hierzu lassen sie einen Ball auf die Folie fallen. Foto: Oliver Dietze

Die Ingenieure demonstrieren das Potenzial ihrer Folie auf der Hannover Messe: Am saarländischen Forschungsstand (Halle 2, Stand B 46) zeigen sie vom 23. bis 27. April, wie ihre Folie reagieren kann, wenn ein Objekt auf sie auftrifft.

Die hauchdünne Folie aus Silikon zieht sich in der einen Richtung zusammen und dehnt sich in die andere. Die Saarbrücker Ingenieure lassen sie verschiedenste Choreografien vollführen: vom hochfrequenten Vibrieren bis hin zu stufenlosen Hub-Bewegungen. Das macht die Folie zu einem neuartigen Antrieb. Alles, was die Forscher dazu benötigen, ist elektrische Spannung.

„Auf beiden Seiten einer Kunststoff-Membran ist eine elektrisch leitfähige Schicht aufgedruckt. Hierdurch können wir eine elektrische Spannung an das Polymer anlegen“, erläutert Professor Stefan Seelecke vom Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme der Universität des Saarlandes. Das macht die Folie „elektroaktiv“. Sie wird denn auch als „elektroaktives Polymer“ bezeichnet oder, etwas spezifischer, als „dielektrisches Elastomer“.

Verändern die Ingenieure das elektrische Feld, wirken sich elektrostatische Anziehungskräfte so aus, dass sich die Folie zusammendrückt und so ihre Fläche vergrößert. Mit einer Regelung über Algorithmen im Hintergrund wird aus dem unscheinbaren Stück Kunststoff mit schwarzem Aufdruck ein hochtechnisches Bauteil, das durch elektrische Spannung gezielt angesteuert werden kann.

„Wir setzen hierfür die Folie selbst als Positions-Sensor ein. Das jeweilige Bauteil hat zugleich auch sensorische Eigenschaften“, sagt Stefan Seelecke. Die Forscher können die einzelnen Stellungen der Folie – also wie sie sich gerade verformt – exakt entsprechenden Messwerten der elektrischen Kapazität zuordnen.

„Wenn wir die elektrische Kapazität messen, können wir also auf die jeweilige mechanische Auslenkung der Folie rückschließen“, erklärt Ingenieur Philipp Linnebach, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand in Seeleckes Team an den neuen Folien-Antrieben arbeitet. In einer Regelungseinheit können die Bewegungsabläufe dadurch genau berechnet und programmiert werden.

Seeleckes Forscherteam an der Saar-Universität und am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik entwickelt die Folie zu verschiedensten technischen Bauteilen weiter: Etwa zum Ventil, das selbst und ohne weiteres Druckluft oder Flüssigkeiten exakt dosiert. Oder zu Pumpenantrieben, die ohne konventionellen Motor auskommen. Oder auch zu Tastern zum Ein- und Ausschalten.

„Diese Bauteile arbeiten sehr energieeffizient: Um eine bestimmte Position zu halten, braucht die Folie keine Energie. Sie verbraucht Energie nur, um ihre Position zu ändern“, erläutert Doktorand Paul Motzki, ebenfalls wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Seelecke. Als Druckluft-Ventil etwa ist sie 500-mal effizienter als ein Elektromagnet-Ventil.

Auf der Hannover Messe erklären die Ingenieure auf spielerische Weise die Fähigkeiten ihrer Technologie: Fällt ein Ball auf die Folie, misst diese selbst die Stärke ihrer Verformung, gibt Auskunft darüber, aus welcher Höhe der Ball gefallen ist und wie stark seine Beschleunigung war und: Sie schießt außerdem den Ball zurück.

Pressefotos für den kostenlosen Gebrauch finden Sie unter
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Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Stefan Seelecke, Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme der Universität des Saarlandes: Tel. 0681 302-71341; E-Mail: stefan.seelecke@imsl.uni-saarland.de
Philipp Linnebach: Tel.: 0681/85787-96; E-Mail: philipp.linnebach@imsl.uni-saarland.de
Paul Motzki, Tel.: 0681/85787-545; E-Mail: p.motzki@zema.de

Englische Version der Presseinformation:
https://www.uni-saarland.de/nc/aktuelles/artikel/nr/18797.html

Der saarländische Forschungsstand wird organisiert von der Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer der Universität des Saarlandes (KWT). Sie ist zentraler Ansprechpartner für Unternehmen und initiiert unter anderem Kooperationen mit Saarbrücker Forschern. http://www.uni-saarland.de/kwt

Hintergrund:
Am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik Zema in Saarbrücken arbeiten Universität des Saarlandes, Hochschule für Technik und Wirtschaft sowie Industriepartner zusammen. In zahlreichen Projekten entwickeln sie industrienah und setzen neue Methoden aus der Forschung in die industrielle Praxis um. http://www.zema.de/

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Claudia Ehrlich Universität des Saarlandes

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