Das schlanke Unternehmen ist noch lange nicht fit
Institut Arbeit und Technik untersuchte Dezentralisierung in der deutschen Investitionsgüterindustrie
Viele deutsche Unternehmen sind in den letzten Jahren der Mode zur „Verschlankung“ gefolgt, fit für den Wettbewerb sind sie damit noch lange nicht. Im Vordergrund der Unternehmensstrategien stand meist lediglich die Einsparung von Kosten durch „Abspeckung“ – die Abschaffung oder Auslagerung von Funktionen -, nicht die Verbesserung von Produktivität, Qualität, Flexibilität oder Kundennähe. Das zeigt der aktuelle Report des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) zur Dezentralisierung in der deutschen Investitionsgüterindustrie. Ausgewertet wurden dafür Daten, die vom Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung bei Unternehmensbefragungen 1997 und 1999 erhoben wurden.
Strategische Dezentralisierung durch Hierarchieabbau, Aufteilung zentraler Bereiche und damit „Verschlankung“ betreiben 37,5 Prozent der befragten Unternehmen, 1997 waren es erst 22 Prozent. Dagegen werden die arbeitsorientierten, auf Teilautonomie und Kompetenzentwicklung ausgerichteten Gestaltungsmöglichkeiten auf operativer Ebene insgesamt seltener genutzt. Eine ganzheitliche Dezentralisierung, die gemeinsam strategische wie operative Möglichkeiten nutzt, stellt in der deutschen Investitionsgüterindustrie mit knapp 11 Prozent immer noch die Ausnahme dar. Die große Masse (46,3 Prozent) der Unternehmen verhält sich nach wie vor organisatorisch eher inaktiv, immerhin ist ihr Anteil im Vergleich zu 1997 – 68 Prozent – beträchtlich gesunken.
„Bei der umfassenden Dezentralisierung bleiben die meisten Unternehmen auf halbem Wege stehen“, so der IAT-Experte Dr. Erich Latniak. Defizite gibt es bei der Verlagerung der Auftragsplanung und -steuerung in die Fertigung sowie bei der Integration dieser Aufgaben in das Tätigkeitsspektrum der Arbeiter. Derartig angereicherte Tätigkeitsprofile sind nur in Ausnahmefällen entstanden.
Der Grad der Dezentralisierung wirkt sich positiv auf marktbezogene Leistungsindikatoren wie Termintreue und Durchlaufzeit aus. „Aktive“ Unternehmen, die sowohl strategisch (auf Ebene der Organisation des Unternehmens als Ganzes) als auch auf operativer Ebene (bei der Arbeitsorganisation) dezentralisiert haben, konnten knapp 90 Prozent aller Aufträge termingerecht ausliefern. Unternehmen, die wenig oder gar nicht dezentralisiert hatten, erreichten deutlich schlechtere Werte zwischen 84 und 86 Prozent. Die Fertigungsdurchlaufzeit ist umso kürzer, je mehr in Unternehmen operativ dezentralisiert und Fertigungsprozesse umgestaltet wurden. Maßnahmen zur strategischen Dezentralisierung brachten demgegenüber hier keine Verbesserungen.
Viele Unternehmen versuchen offenbar, die gestiegenen Marktanforderungen allein durch die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ihrer Beschäftigten zu bewältigen, ohne dass dafür immer die nötigen organisatorischen Voraussetzungen geschaffen wurden. „Der Hierarchieabbau führt eher zu einer höheren Belastung des verbleibenden Managements, denn offensichtlich wurde auf entsprechende Gestaltungsmaßnahmen und die Verlagerung von Kompetenzen in die ausführenden Bereiche verzichtet“, so Dr. Erich Latniak.
Angesichts dieser Befunde bleiben Zweifel, ob die „schlankeren“ Unternehmen auch tatsächlich leistungsfähiger für schwierige Wettbewerbsbedingungen geworden sind. Die Chancen, die eine operative Dezentralisierung gerade für die kundenbezogenen Leistungsfähigkeit der Unternehmen bietet, werden in der vorherrschenden Veränderungspraxis offenbar nicht genutzt. Latniak: „Es bleibt zu beobachten, ob sich diese Tendenz fortsetzt, oder ob die Unternehmen in der derzeitigen Krise die Zeichen der Zeit erkennen!“
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Dr. Erich Latniak
Telefon: 0209 – 1707-240
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