Arbeiten – lieber geregelt als flexibel

Studie zeigt, warum Beschäftigte Zeitkonten bisher so wenig nutzen

Flexible Arbeitszeiten sind derzeit hoch im Kurs. Politiker fordern sie, damit Beschäftigte Beruf und Familie besser vereinbaren können. Unternehmer rufen nach ihnen, um in Zeiten wirtschaftlicher Flaute nicht unausgelastete Mitarbeiter beschäftigen zu müssen. In der Praxis stößt die Flexibilisierung von Arbeitszeiten dagegen an ihre Grenzen. Forscher des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) haben jetzt in einer Studie herausgefunden, dass Arbeitszeitkonten von den Beschäftigten bisher nur sehr zögerlich genutzt werden.

„Arbeitszeitkonten bringen für die Beschäftigten neue und schwer kalkulierbare Risiken mit sich“, erklärt Prof. Dr. Eckart Hildebrandt, ein Autor der von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie. Zeitkonten beruhen auf dem Prinzip, Mehrarbeit anzusparen, die später als Freizeit entnommen werden kann. Zum Problem werden Zeitkonten für die Beschäftigten in Phasen starker Arbeitsbelastung. „Der Alltag gerät dann unter einen enormen Organisations- und Gestaltungsdruck“, sagt Hildebrandt. „Flexible Arbeitszeitmodelle führen weder automatisch zu höherer Zeitsouveränität noch zu höherer Lebensqualität“, lautet daher ein zentrales Fazit der Forscher.

Die Folge: Die Mehrheit der Beschäftigten hält weiterhin an geregelten Arbeitszeiten fest. Zwar benötigen die Arbeitnehmer gelegentlich Flexibilität (z.B. bei Krankheit von Kindern), ansonsten geben sie aber einem eher stabilen Arbeits- und Lebensrhythmus den Vorzug. Auch das Freizeitverhalten ist weiterhin eng an traditionelle Zeitmuster angelehnt, vor allem an das Wochenende. Arbeitszeitkonten bergen nach Meinung der Forscher zudem ein Karriererisiko. Wer geforderte Mehrarbeit ablehnt, riskiert einen Rückschritt auf der Karriereleiter. Wie stark Zeitkonten in Zukunft genutzt werden, hängt deshalb nicht nur von den Mitarbeitern, sondern auch von der Arbeitszeitkultur in den Unternehmen ab.

Die Ergebnisse der Studie werden am 19./20. Februar 2004 auf der Tagung „Balance von Arbeit und Leben“ vorgestellt, die das WZB gemeinsam mit der Böckler-Stiftung am Wissenschaftszentrum in Berlin veranstaltet. Die Studie erscheint Anfang März im sigma-Verlag:

Matthias Eberling, Volker Hielscher, Eckart Hildebrandt, Kerstin Jürgens: Prekäre Balancen. Flexible Arbeitszeiten zwischen betrieblicher Regulierung und individuellen Ansprüchen, For-schung aus der Hans-Böckler-Stiftung 53, Berlin: edition sigma 2004.

Media Contact

Burckhard Wiebe idw

Weitere Informationen:

http://www.wz-berlin.de/aktuell

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Gesellschaftswissenschaften

Der neueste Stand empirischer und theoretischer Erkenntnisse über Struktur und Funktion sozialer Verflechtungen von Institutionen und Systemen als auch deren Wechselwirkung mit den Verhaltensprozessen einzelner Individuen.

Der innovations-report bietet Ihnen hierzu interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Demografische Entwicklung, Familie und Beruf, Altersforschung, Konfliktforschung, Generationsstudien und kriminologische Forschung.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

3D-Tumormodell für Retinoblastomforschung mit Fokus auf Tumor-Umgebungs-Interaktionen.

Retinoblastom: Aufschlussreiche Untersuchung von Tumorzellen der Netzhaut

Ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Universitätsklinikums Essen hat ein neues Zellkulturmodell entwickelt, mit dem die Wechselwirkungen zwischen Tumorzellen und ihrer Umgebung beim Retinoblastom besser untersucht…

Private Brunnen als Notwasserversorgung zur Stärkung der Katastrophenresilienz.

Eine gut erledigte Aufgabe: Wie Hiroshimas Grundwasserstrategie bei der Bewältigung von Überschwemmungen half

Grundwasser und multilaterale Zusammenarbeit in den Wiederaufbaubemühungen milderten die Wasserkrise nach der Überschwemmung. Katastrophen in Chancen umwandeln Die Gesellschaft ist oft anfällig für Katastrophen, aber wie Menschen während und nach…

DNA Origami-Strukturen steuern biologische Membranen für gezielte Medikamentenabgabe

Die Zukunft gestalten: DNA-Nanoroboter, die synthetische Zellen modifizieren können

Wissenschaftler der Universität Stuttgart haben es geschafft, die Struktur und Funktion biologischer Membranen mithilfe von „DNA-Origami“ zu kontrollieren. Das von ihnen entwickelte System könnte den Transport großer therapeutischer Lasten in…