Mehr Selbstbestimmtheit und Flexibilität durch das "Persönliche Budget"

Die Weichen in der Rehabilitation werden neu gestellt: Anstelle der Fürsorge tritt eine individuelle Unterstützung, die zu mehr Selbstbestimmtheit und höherer Lebensqualität führen soll. Ein Instrument ist das so genannte „Persönliche Budget“ – ab dem Jahr 2008 sollen Menschen mit Behinderung einen Rechtsanspruch auf diese finanzielle Eigenständigkeit haben. Wie das in der Praxis funktionieren kann, untersuchen zurzeit Wissenschaftler am Lehrstuhl Rehabilitationssoziologie von Prof. Dr. Elisabeth Wacker.

Bisher erhält die Wohneinrichtung oder ein entsprechender Träger Geld vom Staat, um damit die Unterstützung von Menschen mit Behinderung zu gewährleisten. Mit Einführung eines „Persönlichen Budgets“ würde das Geld dann direkt an die Menschen gehen. Das hätte insbesondere den Vorteil, dass sie unabhängiger sind und die Unterstützung, die sie benötigen, flexibel an die eigenen Bedürfnisse anpassen können. Welche Hilfe wann und vor allem durch wen geleistet wird, kann so individuell bestimmt werden. Auf diese Weise wird der Dienstleistungscharakter von Pflege und Unterstützung stärker betont. „Wenn ein Heimbewohner zum Beispiel in die Disco möchte, muss er nicht mehr warten, bis die ganze Gruppe einen Ausflug dahin macht, sondern kann individuell bestimmen, wann und mit wem er dorthin will“, erklärt Markus Schäfers, der gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Gudrun Wansing Modellversuche zum „Persönlichen Budget“ wissenschaftlich begleitet. Als Nachteile nennen die Rehabilitationswissenschaftler vor allem den erhöhten Regelungsbedarf und die erforderte Eigeninitiative: „Das ist natürlich alles noch sehr neu und muss sich erst entwickeln.“ Nachteile im Bezug auf die Kosten sehen sie dagegen nicht – im Gegenteil, denn durch das Persönliche Budget könne mit den gleichen Ressourcen ein höheres Maß an Selbstbestimmtheit erreicht werden.

Ein Forschungsprojekt (Perle) ist bereits abgeschlossen und mit dem Band „Personenbezogene Unterstützung und Lebensqualität“ haben die Dortmunder Wissenschaftler jetzt eine der bundesweit ersten abgeschlossenen Studien zu dem Thema vorgelegt. Das soeben erschienene Buch gibt die Ergebnisse des Modellversuchs im Wohnheim der Behindertenhilfe „Bethel“ wieder. Im Vorfeld der Implementierung analysierten Schäfers und Wansing vor allem die Situation im europäischen Ausland, denn in Ländern wie Holland oder Großbritannien gibt es bereits Persönliche Budgets. Der Modellversuch in Bethel zeigte insbesondere, dass mit finanzieller Eigenständigkeit auch Menschen, die in Heimen leben, ein höheres Maß an Selbstbestimmtheit erreichen können.

Auf Basis der Erfahrungen aus dem Wohnheim starten sie nun mit „Trägerübergreifendes Persönliches Budget“ ein weitaus umfangreicheres Projekt – in 14 Modellregionen wird das Persönliche Budget erprobt und die Dortmunder führen gemeinsam mit Kollegen aus Tübingen und Reutlingen die wissenschaftliche Begleitforschung durch. Je 50 Menschen mit Behinderung sollen in den einzelnen Regionen bereits jetzt ein Persönliches Budget erhalten und damit wirtschaften. Da hier trägerübergreifend gearbeitet wird, also die Teilnehmer ihre Leistungen von verschiedenen Leistungsträgern beziehen können, ist der Modellversuch um ein vielfaches komplexer; schließlich müssen viele verschiedene Gruppen unter einen Hut gebracht werden. „Teilweise ist es schon schwierig, die 50 Personen pro Modellregion zu finden“, erläutert Wansing ein Hauptproblem, was sie insbesondere auf den bislang geringen Bekanntheitsgrad des Persönlichen Budgets zurückführt. Bis zum Jahr 2007 soll das Projekt „Trägerübergreifendes Persönliches Budget“ abgeschlossen werden – ab dem 1. Januar 2008 hat jeder dann Mensch mit Behinderung einen Rechtsanspruch auf das „Persönliche Budget“.

Media Contact

Ole Lünnemann idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-dortmund.de/

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