Wachstumspaket mindert Risiko einer lang anhaltenden wirtschaftlichen Schwäche

Auf diese Weise eröffnen sich Chancen, einen Rückschlag auf dem Arbeitsmarkt zu verhindern. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

„Angesichts der immer noch dramatischen Situation auf den Finanzmärkten und der um sich greifenden Verunsicherung muss eine kumulative Abwärtsspirale unter allen Umständen vermieden werden, damit es nicht zu einer Depression kommt“, schreiben die Ökonomen in einer aktuellen Analyse.

„Ein fiskalpolitisches Programm in Deutschland ist nötig und würde dabei helfen, die Stärke des gegenwärtigen Abschwungs zu vermindern und seine Dauer erheblich zu verkürzen.“ Der wissenschaftliche Direktor des IMK, Prof. Dr. Gustav A. Horn, stellt die Untersuchung am heutigen Donnerstag auf einer Makroökonomischen Konferenz vor, die die Hans-Böckler-Stiftung in Kooperation mit der IG Metall veranstaltet.

Horn und sein Forscherkollege Dr. Achim Truger empfehlen eine Kombination aus Maßnahmen, welche die Konjunktur ohne große Sickerverluste stimulieren und bereits ab dem ersten Halbjahr 2009 wirksam werden könnten. Um schnell den privaten Konsum zu unterstützen, sollten Anfang kommenden Jahres in einem ersten Schritt alle Haushalte Barschecks erhalten. Für eine Auszahlung von etwa 125 Euro pro Person veranschlagt das IMK ein Gesamtvolumen von rund 10 Milliarden Euro. Die Barschecks könnten mit geringem Aufwand durch die Einwohnermeldeämter versandt werden. Weil so auch die Haushalte mit geringen und mittleren Einkommen mit besonders hoher Konsumquote lückenlos erfasst würden, sei damit zu rechnen dass ein großer Teil der Entlastung auch tatsächlich rasch in den Konsum fließt, schreiben Horn und Truger in ihrer Untersuchung, die als IMK Policy Brief veröffentlicht wird. Dagegen dürfte eine Entlastung aus Steuersenkungen zu einem guten Teil gespart werden, weil sie überwiegend Haushalten mit höheren Einkommen zugute käme.

In der zweiten Jahreshälfte könnten dann die konjunkturstützenden Wirkungen einer Erhöhung der öffentlichen Investitionen greifen. Das IMK hält kurzfristig zusätzliche Investitionen von 10 bis 12 Milliarden Euro für notwendig. Sie sollten schwerpunktmäßig in den Bildungsbereich fließen, und zwar sowohl in Ausbau, Sanierung und bessere Energienutzung von Kindergärten, Schul- und Hochschulgebäuden als auch in zusätzliche Stellen für Erzieher, Lehrer und Hochschullehrer. „Ein Teil der Ziele des jüngsten Bildungsgipfels könnte als konkrete Zielvorgabe für solche Projekte dienen“, so die Forscher. Damit ließe sich auch das Problem angehen, dass die öffentlichen Investitionen in Deutschland im internationalen Vergleich sehr niedrig sind. Bei dem Investitionspaket für 2009 „handelt es sich daher nicht um ein Konjunkturprogramm im klassischen Sinne, sondern um den konjunkturpolitisch motiviert möglichst zügigen Einstieg in eine mittelfristig angelegte dauerhafte Aufstockung zentraler Zukunftsinvestitionen“, betonen die Ökonomen. Es sei sinnvoll, die öffentlichen Investitionen dauerhaft um 25 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen.

Zeitlich befristet werden sollte dagegen die dritte Komponente des Wachstumspaketes: drei bis fünf Milliarden Euro könnten im kommenden Jahr bereitgestellt werden, um drei Schwerpunkte zu verfolgen: investitionswilligen Unternehmen helfen, die von einer extrem restriktiven Kreditvergabe der Banken betroffen sind, das Volumen der KfW-Kredite zur energetischen Gebäudesanierung aufstocken sowie die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen ausdehnen.

Angesichts der immensen Folgekosten einer lang anhaltenden wirtschaftlichen Schwäche halten die Wissenschaftler das beschriebene Wachstumspaket für kompatibel mit einer nachhaltigen finanzpolitischen Wachstumsstrategie und mit dem Ziel der Haushaltskonsolidierung. Insbesondere die Erhöhung der öffentlichen Investitionen finanziere sich über Nachfrage- und Beschäftigungseffekte zum Teil selbst. Dagegen drohten eventuelle Versuche zu verpuffen, den Haushalt im Abschwung aktiv zu konsolidieren, warnen die Wissenschaftler. Der Impuls durch das Wachstumspaket dürfe daher nicht durch Sparmaßnahmen an anderer Stelle konterkariert werden. In der Politik wie in der Wissenschaft beobachten Horn und Truger eine wachsende Akzeptanz konjunkturfördernder Makropolitik – unter anderem „gestützt auf neuere Forschungsergebnisse aus dem angloamerikanischen Raum.“

Die Effektivität des Wachstumsprogramms könnte nach der IMK-Analyse noch gesteigert werden, wenn die Länder der Eurozone oder der gesamten EU rasch koordiniert vorgehen. „Da alle Mitgliedstaaten das gleiche konjunkturelle Problem haben, sollte eine solche europaweite Stimulierung auch durchsetzbar sein“, schreiben Horn und Truger. Parallel sei die Europäische Zentralbank gefordert: Eine „schnelle und starke Zinssenkung“ könne zwar ein Wachstumspaket nicht ersetzen, da sie zeitversetzt wirke. Gleichwohl sei ein kräftiger Zinsschritt „angesichts rückläufiger Preissteigerungsraten und ausbleibender Zweitrundeneffekte nicht nur notwendig, sondern auch vertretbar.“

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