Jeder 5. arbeitet unter der Niedriglohnschwelle – Kombilohn für mehr Niedriglohn-Jobs?
Institut Arbeit und Technik zeigt, dass Niedriglöhne in Deutschland bereits weit verbreitet sind
Niedriglöhne müssen in Deutschland nicht erst noch mit Hilfe eines Kombilohns “eingeführt” werden. Die aktuelle Debatte suggeriert, dass Deutschland bei Niedriglöhnen einen Nachholbedarf habe. Tatsächlich hat Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland auch ohne “staatliche Unterstützung” in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, wie aktuelle Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) zeigen. Eine EU-Studie belegt, dass der Niedriglohnanteil in Deutschland bereits im Jahr 2000 erstmals über dem EU-Durchschnitt lag. Aktuelle Auswertungen des IAT, die im Unterschied zu den meisten anderen vorliegenden Analysen auch Teilzeitbeschäftigte und Minijobber einbeziehen, zeigen sogar, dass im Jahr 2004 mehr als ein Fünftel der Beschäftigten in Deutschland für Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohnschwelle arbeitete.
Die Analyse auf der Basis des Sozioökonomischen Panels (SOEP 2004) ergibt auf gesamtwirtschaftlicher Ebene für Westdeutschland eine Niedriglohngrenze von 9,58 € und für Ostdeutschland von 6,97 € pro Stunde (einschließlich eventueller Sonderzahlungen). Als Niedriglohngrenze wurde in Anlehnung an die OECD-Definition ein Bruttostundenlohn unterhalb von 2/3 des Median-Stundenlohns angesetzt. Für Gesamtdeutschland ergibt sich daraus ein Niedriglohnanteil von 22,1% (Westdeutschland 21,9 % und Ostdeutschland 23 %). Bei einer Gesamtzahl von rund 31 Millionen abhängig Beschäftigten beziehen demnach knapp 6,9 Millionen Beschäftigte in Deutschland Niedriglöhne.
Die IAT-Analyse der strukturellen Merkmale der betroffenen Beschäftigten zeigt besonders hohe Anteile von Niedriglöhnen unter geringfügig Beschäftigten (78,9%), Personen ohne Berufsausbildung (47,2%) und Frauen (30,2%). In diesen Gruppen liegen die Anteile von Niedriglohnbeschäftigung deutlich über ihren Anteilen an der Beschäftigung in der Gesamtwirtschaft. Dennoch sind nicht nur die genannten Gruppen von Niedriglohnbeschäftigung betroffen. Vielmehr sind rund 43% der Niedriglohnbeschäftigten in Vollzeit tätig, 74% haben eine abgeschlossene Berufsausbildung oder sogar einen akademischen Abschluss und 33% sind Männer.
Knapp die Hälfte der Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland verdient sogar weniger als die Hälfte des nationalen Medianlohnes – arbeiten nach internationaler Definition also für so genannte “Armutslöhne”. In Ostdeutschland entspricht dies rechnerisch 5,22 €; in Westdeutschland 7,19 € pro Stunde. Für die aktuelle Kombilohn-Debatte bedeutet dies zweierlei: So sind die Spielräume für weitere Lohnabsenkungen “zur Markträumung” offenbar eher begrenzt. Die Einführung genereller Kombilohn-Modelle oder einer negativen Einkommensteuer nach dem Vorbild der USA hätte zur Folge, dass Millionen bereits bestehender Arbeitsplätze gefördert werden müssten.
Nicht zuletzt unterstreichen die Ergebnisse des IAT, dass die Einführung zusätzlicher Kombilöhne in Deutschland ohne die Festlegung eines gesetzlichen Mindestlohnes für den Staat ein Fass ohne Boden werden könnte: In Frankreich und Großbritannien muss niemand für solche Niedrigstlöhne arbeiten: Denn beide Länder haben gesetzliche Mindestlöhne, die zwischen 7,50 und 8 € pro Stunde liegen. Subventionen für Niedriglohnjobs bauen hierauf auf; ein Lohndumping zulasten öffentlicher Kassen ist ausgeschlossen.
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