Innovation aus Tradition: Verband- und Verbindungstechnik aus Neuwied

Als der Kaufmann Julius Lüscher am 7. Juli 1851 in Frankfurt am Main eine „Handlung in Material-Waaren“ anmeldete, ahnte er nicht im Entferntesten, das er den Grundstein für ein Großunternehmen gelegt hatte. 150 Jahre später gehört die aus den späteren „Wattefabriken Lüscher & Bömper“ entstandene Lohmann-Gruppe zu den eher unbekannten Größen Deutschlands mit 4500 Mitarbeitern weltweit und 1,2 Milliarden Mark Umsatz (vor Konsolidierung). Stammsitz ist seit mehr als 100 Jahren Neuwied am Rhein.

Ob Pflaster, Gipsbinden oder Sportbandagen, ob Gepäckbänder, Badezimmerhaken, Handys oder Autohimmel – in Tausenden von Produkten des modernen Lebens steckt Lohmann drin, obwohl selten Lohmann drauf steht. „Wir sind vor allem in medizinischen Fachkreisen bekannt, außerdem als klassischer Zulieferbetrieb für die verarbeitende Industrie“, blickt der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Martin Barth zurück. Die vergangenen 50 Jahre seit dem Wiederaufbau nach einer 80prozentigen Zerstörung des Stammwerkes in Neuwied wenige Tage vor Kriegsende gehörten der Innovation und Internationalisierung. Früh hatte der damalige Komplementär Dr. G.A. Barth erkannt, dass der in Friedenszeiten stagnierende Verbandmittelbereich alleine vor einer schwierigen Zukunft steht. Lohmann diversifizierte – und entwickelte aus der Erfahrung im Umgang mit Fasern, Geweben und im Beschichten von Trägermaterialien mit Haftklebstoffen vier inzwischen selbstständige Kernbereiche.

Heute finden sich Produkte des Medical-Bereiches von Lohmann & Rauscher rund um den Erdball in Krankenhäusern, Arztpraxen und im medizinischen Fachhandel. Wirkstoffpflaster von LTS-Lohmann helfen weltweit Herz- und Schmerzkranken, werden in abgewandelter Form als Trägersysteme für die Schönheitspflege genauso wie für die Schädlingsbekämpfung im Garten eingesetzt. Klebebänder und Folien von Lohmann finden sich in Handys von Nokia ebenso wieder wie in Computertastaturen, dienen der Befestigung von Badezimmerspiegeln und von Zierleisten an Millionen von Autos. Vliesstoffe von Lohmann werden längst nicht mehr nur für die Wundauflage genutzt, sondern auch als Reinigungstücher, als weiche Deckschicht in Babywindeln oder als Kern von Gepäcktransportbändern. „Der Ehrgeiz von Lohmann bestand darin, eigene Lösungen für praktische wie lebensverbessernde Produkte zu finden“, betont Martin Barth, gemeinsam mit seinem Bruder Peter die vierte Generation der Lohmann-Familie im Management. Die Lohmann KG gehört heute 76 Kommanditisten, größter Einzelgesellschafter ist mit knapp zehn Prozent die Lohmann Partner AG, an der 700 ehemalige und aktive Mitarbeiter beteiligt sind. Zur Unternehmensgruppe gehören eigene Werke in Deutschland, Europa, den USA und Asien.

In den vergangenen 150 Jahren gingen zahlreiche Lohmann-Erfindungen um die Welt. Nachdem August Lohmann – er trat 1869 in die damalige Firma „Lüscher & Bömper“ ein – Ende des 19. Jahrhunderts in Fahr am Rhein die Produktion von Wundwatte aufnahm, waren es vor allem medizinische Produkte, die zum Patent angemeldet wurden. Die Meilensteine: 1924 erfindet in Neuwied-Fahr der Chemiker Georg Teske die erste elastische Pflasterbinde, genannt „Elastoplast“. 1930 gelingt mit der Entwicklung der fixierten Gipsbinde („Cellona“) ein medizinischer Durchbruch. Während des Krieges wird das erste atmungsaktive Pflaster („Poroplast“) patentiert. 1957 wird mit „Metalline „, einem aluminiumbedampften Vliesstoff, der erste Verbandstoff auf den Markt gebracht, der nicht mit offenen Wunden verklebt. In der 80er Jahren beginnt bei Lohmann die Ära der Wirkstoffplaster. Gemeinsam mit der pharmazeutischen Industrie wird ein transdermales Nitroglycerinpflaster zur Serienreife entwickelt, das seine Wirkstoffe über einen längeren Zeitraum unter die Haut von Herzpatienten bringt und so der gefürchteten „Angina pectoris“ vorbeugen soll. Wenige Jahre später können sich Millionen Raucher mit LTS-Lohmann-Pflastern das Qualmen abgewöhnen. Heute gehört das inzwischen selbstständige Unternehmen LTS-Lohmann Theraphie-Systeme AG mit Werken in Andernach/Rhein und in Caldwell/USA zu den weltgrößten Herstellern von Transdermalen Systemen. Um alle Sparten der Unternehmensbereiche strategisch zu stärken ebnete die Lohmann KG als Muttergesellschaft in den vergangenen Jahren die Wege zu neuen Allianzen. Der Medical-Bereich wurde bereits 1998 mit der österreichischen Verbandmittelfirma Rauscher zusammengelegt, Anteile der LTS an die Pharmaindustrie und an Kapitalgesellschaften abgegeben. Das Vliesstoffwerk in Dierdorf/Westerwald ging Anfang Juli 2001 an die TWE-Vliesstoffgruppe, um über neue Vertriebskanäle die Produkte auch direkt an den Verbraucher zu bringen.

Der 150. Geburtstag ist für Lohmann nicht nur Grund für einen Blick zurück in eine lange Familientradition, sondern vor allem auch ein Blick nach vorn. „Hervorragend hat sich das Geschäft mit Klebebändern entwickelt. Der Gesundheitsbereich steckt nach wie vor in schwierigen Zeiten „, betont Martin Barth. Denn: „Unter dem Kostendruck des Gesundheitswesens sollen die Hersteller preiswert liefern, doch die Gesetzeslage behindert nach wie vor die Einführung günstiger wie neuer Produkte. Verbandstoffe werden heute noch nach den Normen aus Kriegszeiten gefertigt.“ Konflikte bereiten den Verbandmittelunternehmen auch das Anti-Korruptionsgesetze als Folge diverser Medizin-Skandale. Barth: „Vor allem die notwendige Aus- und Weiterbildung der medizinischen Fachkräfte leidet darunter, weil die Industrie eigentlich nicht einmal mehr Kurse anbieten kann, ohne Strafverfahren zu riskieren.“ Anwendungstechnische Fortbildung, betont der geschäftsführende Lohmann-Gesellschafter, sei aber gerade im Medizinbereich unerlässlich: „Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet.“

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Dr. Martin Barth ots

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