Um Vergiftungen durch Verbraucherprodukte erfolgreich zu behandeln, müssen die Rezepturen bekannt sein

Trinkt ein Kind versehentlich Reinigungsmittel, kann schnelle Hilfe lebensrettend sein. Bei Unfällen mit Haushaltschemikalien müssen Ärzte wissen, welche Stoffe das Produkt enthält. Nur dann können sie gezielt behandeln. Doch häufig haben sie nur unvollständige Informationen, weil die eindeutige Identifizierung von Produkten über den Handelsnamen mit zahlreichen Problemen verbunden ist.

„Wir brauchen dringend ein neues Produktkennzeichnungselement, damit die Inhaltsstoffe bei unerwünschten Wirkungen und vor allem in Notfällen schnell ermittelt werden können“, sagt Professor Dr. Dr. Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Das Institut hat auf der Grundlage von Vorarbeiten der BfR-Kommission „Bewertung von Vergiftungen“ jetzt ein einheitliches und für den Verbraucher gut sichtbares Identifizierungselement entworfen.

Vergiftungen ereignen sich täglich, meist sind es Unfälle mit Haushaltsprodukten, an denen Kinder beteiligt sind. Schätzungsweise eine Million Anrufe gehen in Europa pro Jahr in Giftinformationszentren ein. In 20 bis 40 Prozent der Fälle kann die exakte Rezeptur nur schwer ermittelt werden. Zwar melden Hersteller von chemischen Produkten wie Pflanzenschutzmitteln oder Wasch- und Reinigungsmitteln ihre Rezepturen an das BfR, damit sie für Notfälle zur Verfügung stehen, häufig jedoch ist es für den behandelnden Arzt schwierig, überhaupt zu ermitteln, mit welchem Produkt ein Verbraucher sich vergiftet hat.

Die Angaben auf der Verpackung helfen oft nicht weiter: Etiketten enthalten oftmals verwirrende Produktinformationen mit „Corporate Identity“-Elementen, Sicherheitshinweisen, Warnungen, Warenzeichen, Werbeelementen, Warenlogistikkennzeichnungen, Strich- oder Bar-Codes, Umwelt- und Entsorgungskennzeichen, Gebrauchsanweisungen – und das unter Umständen in mehreren Sprachen. Erschwerend kommt hinzu, dass Hersteller die Rezepturen ihrer Produkte ändern können, ohne dass das Produkt einen neuen Handelsnamen erhält.

Auf der Basis von Vorarbeiten der BfR-Kommission „Bewertung von Vergiftungen“ und der vom BfR initiierten Europanorm EN 15178 „Elemente zur Produktidentifizierung bei Notfallanfragen“ schlägt das Institut deswegen ein einheitlich strukturiertes Identifizierungselement auf den Etiketten vor: In unmittelbarer Nähe des Barcodes soll ein „i“-Punkt-Symbol für „Information“ stehen, gefolgt von einem Firmen- und einem Rezepturcode sowie dem neuen codierten GHS-Gefahrensymbol. Das Kürzel GHS steht für „Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals“. Die vom BfR vorgeschlagene neuartige Produktkennzeichnung könnte auch international verwendet werden.

Hersteller chemischer Produkte, die für Verbraucher bestimmt sind, können das neue Kennzeichnungssystem ab sofort dafür nutzen, die gesetzlich vorgeschriebenen Mitteilungen zu chemischen Produkten beim BfR einzureichen und das neue Identifizierungselement auf den Verpackungen verwenden. Es ermöglicht nicht nur die punktgenaue Identifizierung der Rezeptur bei Notfallanfragen, sondern bringt auch für Hersteller Vorteile: Im Vergleich zum bloßen Handelsnamen kann es helfen, Fehler im Bestellwesen zu minimieren und Reklamationen eindeutig zuzuordnen.

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Jürgen Thier-Kundke idw

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